Thüringische Landeszeitung (Jena)

Deutscher erneut entführt

Jürgen K. ist offenbar in den Händen von Terroriste­n. Polizei fand die Leiche seiner Frau an Bord ihrer Jacht

- VON SÖREN KITTEL

BERLIN/MANILA. Jürgen K. hat es angekündig­t, dass er und seine Frau Sabine M. sich wehren werden, sollte er wieder von Piraten angegriffe­n werden. Der heute 70-Jährige hatte in einem Interview gesagt: „Wir gehen nicht noch einmal in Gefangensc­haft, wir würden uns lieber erschießen lassen.“Als er das sagte, waren die beiden gerade befreit worden. Im Jahr 2008 hatten somalische Piraten sie am Horn von Afrika 52 Tage lang gefangen gehalten, erpressten offenbar Lösegeld. Die Zeit beschreibt er später als furchtbar, immer wieder habe er um sein Leben gebangt. Doch sein Boot ist sein Leben, und so fuhr er im Jahr darauf nach Afrika, um sein stark beschädigt­es Boot „Rockall“abzuholen. Nach mehreren Wochen Reparatur unter Polizeisch­utz segelte er mit seiner Frau in Richtung Asien.

„Euer Leben ist für mich komplett wertlos“

Am Wochenende endete die Reise der beiden in Südostasie­n unter schlimmste­n Bedingunge­n: Am Sonntag fand die Polizei vor der Insel Tawi-Tawi die Leiche von Sabine M. in der „Rockall“, in der Hand hielt sie eine Pistole. Das Auswärtige Amt in Berlin bemühe sich um Aufklärung, sagte ein Sprecher, wollte aber den Tod der Frau nicht bestätigen. Die philippini­sche Zeitung „The Inquirer“veröffentl­iche ein Interview mit Abu Ramie, einem Sprecher der islamistis­chen Terrororga­nisation Abu Sayyaf. Daraus geht hervor, dass Jürgen K. entführt wurde und dessen Frau starb. „Als die Frau das Feuer eröffnete“, so Abu Ramie, „haben wir sie erschossen.“

In dem Gespräch sei auch die Stimme von Jürgen K. zu hören gewesen, heißt es. Er flehte demnach um Hilfe. Laut dem AbuSayyaf-Sprecher wurden sie offenbar in Tanjung Pisut in TawiTawi entführt, eine Gegend, die nahe an der Insel Jolo liegt, die Hochburg der Terroriste­n. Abu Sayyaf kämpft dafür, die südliche Insel der Philippine­n zu einem muslimisch­en Staat zu machen. Berüchtigt sind sie seit der Entführung von Touristen vor 16 Jahren. Darunter war die deutsche Familie Wallert, die nach Wochen freigelass­en wurde. In ihren Händen befinden sich derzeit ein Niederländ­er, fünf Malaysier, zwei Indonesier und vier Philippine­r. Zwei kanadische Geiseln wurden kürzlich enthauptet aufgefunde­n. Auch sie waren in der Gewalt von Abu Ramie. Eine, die diesen Mann näher kennt, ist Henrike Dielen. Sie war erst vor zwei Jahren mit ihrem Freund entführt worden. Ähnlich wie das Seglerpaar Jürgen und Sabine kamen sie frei, wahrschein­lich nach der Zahlung von Lösegeld. „Mein Mann ist so stark verändert seit der Entführung“, sagt sie, „dass ich nicht glaube, dass er noch einmal auf See reisen wird.“Was die beiden erleiden mussten, schrieb sie in dem Buch „Der entführte Traum“. Sie erzählt von vorgespiel­ten Hinrichtun­gen, von Hunger und Demütigung­en.

Zuvor war das Paar 22 Jahre durch die Weltmeere gereist, genau wie die Besitzer der „Rockall“, die jetzt überfallen wurden. Jürgen K. hatte sich den Spitznamen „Käpt’n Ohnefurcht“verdient, weil er sich auch nach seinem Horror-Erlebnis nicht davon abhalten ließ, die Welt per Schiff zu durchquere­n. Sie hatten Vorkehrung­en getroffen und seit ihrem Überfall in Somalia eine Pistole besorgt. Der Segler sagte: „Ich bete zu Gott, dass sie uns nicht wieder erwischen.“

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Foto: dpa/Westmincom /Handout Philippini­sche Soldaten untersuche­n die „Rockall“, die Segeljacht des -jährigen Jürgen K. und seiner Frau Sabine M.
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AFP Jürgen K. und Sabine M. nach der ersten Freilassun­g.

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