Thüringische Landeszeitung (Jena)
Bahnsteig 2 vom Westbahnhof abgekoppelt
Wegen Restarbeiten ist seit gestern der Tunnel für vier Wochen gesperrt – Komplettfertigstellung der Bahnsteige wohl erst im März 2017
JENA. Bevor die Aufzüge in Betrieb gehen, verlangt die Deutsche Bahn Reisenden am Jenaer Westbahnhof noch einmal alles ab. Der Bahnsteigtunnel ist seit gestern komplett gesperrt und die Umleitung zum Bahnhofsgebäude und den Fahrkartenautomaten führt einmal um den ganzen Bahnhof. Der Fußmarsch dauert etwas so lang, wie die Fahrt nach Großschwabhausen mit dem Zug. Das geht noch so bis voraussichtlich Samstag, 3. Dezember.
„Das müssen Sie sich mal anschauen“, schrieb ein Leser der Zeitung, der haarscharf seinen Zug nach Gera verpasst hatte, da er irrtümlich zunächst an die Ostseite des Bahnhofs gelaufen war. Den Hinweis auf den Aushängen der Bahn „Bitte berücksichtigen Sie die längeren Wege bei Ihrer Reiseplanung“, hatte er zu spät gesehen. Er stand vor dem verschlossenen Tunnel. Der Weg von dort bis zum Gleis 2 führte ihn zurück bis zur Westbahnhofstraße, dann durch die Unterführung, links hinauf zur Otto-Schott-Straße und dann vor der Einfahrt zum Schott-Parkplatz wieder links ab.
Die Zeitung ermittelte gestern mit der Redaktionsstoppuhr eine Zeit von 4:12 Minuten für die etwa 450 Meter lange Umleitung. Hätte der Leser sich bei Ankunft am Gleis 2 auch noch eine Fahrkarte kaufen wollen, wäre er die Strecke noch einmal hin und zurück gelaufen, weil der nächstgelegene FahrscheinAutomat nämlich im gesperrten Aufzug steht.
Erika Poschke-Frost von der Deutschen-Bahn-Pressestelle bat gestern für die Unannehmlichkeiten um Verständnis. Sie sagte eine Prüfung zu, inwiefern Reisende eine Erleichterung dadurch erhalten könnten, dass sie beispielsweise auch beim Fahrpersonal des Zuges Tickets kaufen können, wenn die Zeit knapp ist. In den Regionalexpresszügen der Bahn gibt es keine Fahrkartenautomaten. In den Regionalbahnen der Erfurter Bahn sind diese an Bord.
Seit 2014 baut die DB den etwa 66 Kilometer langen Streckenabschnitt der MitteDeutschland-Verbindung (MDV) zwischen Weimar und Gera aus. Dabei wurden unter anderem die Abschnitte Weimar – Großschwabhausen und Neue Schenke – Stadtroda vollständig zweigleisig ausgebaut und der gesamte Umbauabschnitt mit Neigetechnik ausgestattet sowie die Bahnsteige in Jena-West, Jena-Göschwitz und der Haltepunkt Oberweimar modernisiert.
Viele Reisende waren zunächst davon ausgegangen, dass während der mehrmonatigen Streckensperrung auch die neuen Aufzüge und der Wetterschutz betriebsbereit sind. Dies war nicht der Fall. So war die Sanierung des Bahnsteigdaches ursprünglich nicht Projektbestandteil. Der schlechte Zustand wurde erst bei den Arbeiten an den Bahnsteigen festgestellt. Noch bis voraussichtlich März 2017 wird der vollständige Wiederaufbau des Bahnsteigdaches in Jena-West dauern. Die Anlieferung der Bahnsteigstützen mit dem Zug erfolgt dabei in Nachtsperrpausen zwischen dem 21. und dem 29. November. Die Montage des Daches geschieht so, dass eine Nutzung durch die Reisenden möglich ist.
Auf jeden Fall zu gefährlich ist der Gang über die Gleise. Einzelne Reisende nahmen gestern dennoch diese Abkürzung, um Zeit zu sparen. Auch zum Gleis 1 gibt es an den Absperrungen vorbei inzwischen einen Trampelpfad, der Weg durch den Bahnhof ist einigen zu weit.
Theoretisch kann der 400 Meter lange Weg vom Bahnhofsvorplatz zum Gleis 2 auch mit dem Taxi gefahren werden. Die stehen am Bahnhof. Ein Fahrer teilte auf Nachfrage mit, die Fuhre vom Vorplatz zum Gleis 2 koste 5,80 Euro.
Die Bauarbeiten am Westbahnhof haben auch Auswirkungen auf die städtische Gedenkveranstaltung zum 9. November, bei der an die Reichspogromnacht im Jahre 1938 erinnert wird. Am Gleis 1 des Westbahnhofes ruft eine Gedenktafel dieses in Erinnerung. Wegen der Arbeiten wird die Gedenkveranstaltung am Mittwoch ab 18 Uhr auf dem Platz vor dem Bahnhof stattfinden.