Thüringische Landeszeitung (Jena)
„Reichsbürger“treffen sich mit Rechtsextremisten
50 Personen versammelten sich im Eichsfeld hinter verschlossenen Türen – Im Vogtland „Reichsbürger“wegen Steuervergehen verhaftet
Die Vernetzung der so genannten Reichsbürger – auch mit der rechtsextremen Szene – schreitet voran. Im Dorfgemeinschaftshaus der Eichsfeld-Gemeinde Lutter haben sich am Donnerstag Abend mehr als 50 Personen hinter verschlossenen Türen getroffen und dabei auch die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt. Ob ein „Königreich Sondershausen“ausgerufen wurde, wie es zunächst hieß, ist fraglich. Der Organisator des Abends, Roland L. aus Lutter, bestreitet dies. Eine offizielle Bestätigung für die Proklamation einer lokal definierten Alleinherrschaft gibt es nicht.
Der Verfassungsschutz stellt fest: „Es waren Reichsbürger, die sich getroffen haben. Es war eine Versammlung mit Bezügen zu Rechtsextremisten.“
Während der dreistündigen Veranstaltung sei den Zuhörern empfohlen worden, Asyl zu beantragen, weil sie politisch verfolgt seien. Wer das mittels Brief tun wolle, so gab der Referent an, könne das mit einem Porto von 4 Cent. Er müsse nur die Postleitzahl in eckige Klammern setzen, dann wisse die Deutsche Post Bescheid, dass der Brief von einem Reichsbürger komme – zum Beweis wurde ein 4-CentBrief gezeigt. Der war offenbar aber zurückgekommen, weil er nicht ausreichend frankiert war.
Ferner sei behauptet worden, die Namen in den Personalausweisen seien deshalb in Großbuchstaben gedruckt, weil auch im Römischen Reich die der Sklaven groß geschrieben worden seien. „Der BRD-Ausweis ist fehlerhaft, weil er einen Adler mit sieben Federn zeigt, es dürften aber nur sechs sein“, erklärte Roland L. seine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik. „Mir fehlt der Nachweis, dass es die BRD gibt.“
Gegen einen „Reichsbürger“in Forstwolfersdorf im Vogtland ging die Polizei gestern früh vor. Die Beamten vollstreckten mehrere Haftbefehle wegen „nicht unerheblicher Steuervergehen“gegen einen 39-Jährigen, der sich gegenüber einem Gerichtsvollzieher weigerte, seine Steuerschuld zu begleichen.
Seit der Erschießung eines Polizisten in Bayern vor wenigen Tagen betrachten Politiker die Bewegung als zunehmend gefährlich. Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) fordert inzwischen die flächendeckende Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, verlangt scharfe Kontrollen bei der Waffenzulassung.
„Wir brauchen ein bundesweites ‚Lagebild Reichsbürger‘“, betont Wolfgang Fiedler, innenpolitischer Sprecher der CDUFraktion. Raymond Walk, Sicherheitsexperte der Union, und Jürgen Hoffmann, Landeschef der Polizeigewerkschaft DPolG, fordern die umgehende Entwaffnung von „Reichsbürgern“.
Etwa 50 legale Waffen kursieren allein unter den 50 rechtsextremistischen Reichsbürgern, die in Thüringen bekannt sind, wie das Innenministerium mitteilte. Landesweit sind derzeit etwa 550 „Reichsbürger“bekannt. Wie in Lutter kommen sie vielerorts regelmäßig zu Treffen zusammen.
Binnen eines Jahres hat sich die Zahl der „Reichsbürger“in Thüringen fast verdreifacht. Derzeit verschafft sich das Land einen Gesamtüberblick. Aus Suhl – ein Beispiel – teilt Oberbürgermeister Jens Triebel (parteilos) mit: „2016 ist die Reichsbürgerzahl drastisch angestiegen. In den Jahren davor waren nur Einzelfälle zu verzeichnen.“
Eine Begründung für den Anstieg nennt Deutschlands wohl führender „Reichsbürger“-Experte Dirk Wilking vom DemosInstitut in Brandenburg: „Reichsbürger haben auch ihre Basis verbreitert, weil durch Pegida die Delegitimierung staatlicher Institutionen zu einem Volkssport geworden ist.“
„Der BRDAusweis ist fehlerhaft, weil er einen Adler mit sieben Federn zeigt, es dürften nur sechs sein.“Roland L. aus Lutter