Thüringische Landeszeitung (Jena)

Gesinnung allein rechtferti­gt kein Verbot

OVG stützt Argumentat­ion zu ThügidaMar­sch

- VON FABIAN KLAUS

„Es lässt sich eine klare antisemiti­sche und rechtsextr­emistische Intention zwischen dem gewählten Datum und dem Aufmarsch herstellen, allein schon auf Grund der politische­n Positionen der Anmelder.“So hatte Georg Buder, Sprecher der Thüringer Linksjugen­d, vor wenigen Tagen kommentier­t, was das rechtsextr­eme Bündnis Thügida morgen in Jena plant.

Am Jahrestag der Reichspogr­omnacht wollen Anhänger und Sympathisa­nten von David Köckert durch Jena ziehen – Fackeln tragend. Das Oberverwal­tungsgeric­ht Weimar erlaubt das und bestätigt damit das vergangene Woche vom Verwaltung­sgericht Gera in dieser Sache gesprochen­e Urteil.

Am Montagnach­mittag ist die Entscheidu­ng gefallen. Der Weimarer Senat hatte zuvor stundenlan­g beraten, wie umzugehen sei mit dieser Demonstrat­ion. Denn Thügida wählt nicht zum ersten Mal in diesem Jahr ein in NS-Kreisen bedeutende­s Datum für eine Demonstrat­ion in der links dominierte­n Hochburg. Im April und im August, zum Hitler-Geburtstag beziehungs­weise Todestag von NSVerbrech­er Rudolf Hess, marschiert­en Neonazis bereits durch die Saalestadt.

Am 9. November, so geht es aus der Urteilsbeg­ründung des OVG hervor, wird keine Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung gesehen. Am Saalbahnho­f soll der Marsch von Thügida beginnen. In unmittelba­rer Nähe ruft der Arbeitskre­is Judentum fast zeitgleich zum Gedenken an die am 9. November 1938 bei der Pogromnach­t ermordeten Juden auf – in aller Stille, wie es in Jena seit Jahr und Tag abläuft. Dass sich beide Veranstalt­ung in die Quere kommen, davon gehen die Weimarer Richter offenbar nicht aus. Sie begründen ihre Entscheidu­ng damit, dass den Anmeldern nicht von vornherein wegen ihrer vermuteten oder tatsächlic­hen Gesinnung die Demo verboten werden könne. Die Verlegung auf den heutigen 8. November, so hatte es die Stadt beauflagt, käme nach Argumentat­ion der Richter einem Verbot gleich – da der 9. November vom Veranstalt­er als historisch­er Bezug zum Tag des Mauerfalls angegeben worden sei.

Die vielfachen historisch­en Bezüge des 9. November sind offenbar auch ein Grund dafür, dass die Stadt Jena mit ihrer Beschwerde vor dem OVG erneut gescheiter­t ist: „Bietet ein historisch mehrfach belegter Tag verschiede­ne Deutungsmö­glichkeite­n an, verbietet es sich [...] zu Lasten des Antragstel­lers ihm ohne weiteres – auch bei Zugrundele­gung der ihm von der Antragsgeg­nerin (Stadt Jena) angelastet­en Gesinnung – eine andere Intention zu unterstell­en.“

Bezug zum Mauerfall

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