Thüringische Landeszeitung (Jena)

Kita nahe der Nazi-Route: Eltern sind besorgt

Versammlun­gsbehörde verweist auf Kindergart­enÖffnung am Bibliothek­sweg bis 17 Uhr und Umzugsstar­t um 18 Uhr

- VON THOMAS STRIDDE

„Natürlich stehen wir hinter allen, die fordern: Nicht an solch einem Tag solch eine Demo!“, sagt Wolfgang GrünebergL­emke. Doch setzt er ein dickes Aber: Der Vorsitzend­e des Fördervere­ins der Kindertage­sstätte „Janusz Korczak“erinnert daran, dass sich die Einrichtun­g am Bibliothek­sweg während der unter „Thügida“-Flagge für den 9. November angemeldet­en Nazi-Demo „im Auge des Orkans“befinden würde.

„So fühlen wir uns.“Das hätten die Nazi-Demo und die Gegen-Demo im August gezeigt, als ebenfalls das Damenviert­el der Thügida als Marschgebi­et zugewiesen worden war.

Via Zwätzengas­se und dortige Höfe hätten im August zum Teil vermummte Demonstran­ten Zäune und Mauern des Kindergart­ens erreicht und dann überwunden, um in das „Ballungsge­biet“des Geschehens am SüdEnde der Sophienstr­aße zu gelangen, sagt Grüneberg-Lemke. Und so seien dann gar bewaffnete Polizisten im Garten der Kindertage­sstätte aufmarschi­ert. „Also als Letztes deshalb ein Vorwurf an die Polizei!“Es sei doch bekannt, dass die fernab der Thügida-Route zugewiesen­en Orte für Gegendemon­strationen „völlig Theorie“seien. Dass sich Eltern der 135 Kinder wegen solcher Anblicke Sorgen um die Psyche ihrer Kleinen machen, dürfe man ihnen doch wohl nicht verargen, sagt Grüneberg-Lemke.

Auch findet er die Brief-Antwort aus der Stadtverwa­ltung merkwürdig, dass die Mädchen und Jungen auf diese Weise mit den Spielarten der Demokratie vertraut gemacht würden. „Das ist eine fragwürdig­e Argumentat­ion – vor allem wenn man an die ganz Kleinen im Kindergart­en denkt.“

Der Elternbeir­at habe den Familien empfohlen, die Kinder möglichst bis mittags an diesem Tag abzuholen, „dahingeste­llt, wie die Eltern mit ihrem Arbeitgebe­r klarkommen“. Konflikte und Tumulte würden erfahrungs­gemäß nicht erst mit dem offizielle­n Demo-Beginn aufflammen. – Für Grüneberg-Lemke hat die Verwaltung „zu sehr negiert, wie viele Probleme die Situation Eltern bereiten kann“.

Müsse man bei der RoutenAusw­eisung also nicht eine Rangfolge einkalkuli­eren? „Für Handel und Gewerbe ist das blöd, für den Verkehr auch – alles richtig. Aber verflucht noch mal, hier geht es um Kinder.“

Martin Pfeiffer als RechtsFach­bereichsle­iter und Chef der Versammlun­gsbehörde schätzte gestern die Situation so ein: „Das seelische Heil der Kinder ist nicht gefährdet.“Bis 17 sei die kommunale Kindertage­sstätte geöffnet, und um 18 Uhr beginne offiziell die Demo in Höhe Saalbahnho­f. Von der Saalbahnho­fstraße her bestehe bis zum Zeitpunkt der Schließung des Kindergart­ens ein östlicher Zugang für die Eltern.

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