Thüringische Landeszeitung (Jena)

Romanze in bernsteinf­arbenem Licht

In seinem neuen Film „Café Society“unternimmt Woody Allen eine Zeitreise in das Hollywood der 1930er Jahre

- VON KATHRIN HÄGER

ERFURT/WEIMAR. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Das gilt erst recht für die Goldene Ära Hollywoods. Und auch für das Alterswerk des fast 81 Jahre alten Woody Allen, das fast nur noch in die Ferne schweift, zeitlich wie räumlich. In „Midnight in Paris“lief das Who’s Who der 1920er Jahre auf, in „Magic in the Moonlight“bereitete er einem Zauberküns­tler im Südfrankre­ich des Jahres 1928 die Bühne. Und nun stürzt sich „Café Society“ins Los Angeles der 1930er Jahre, mitten hinein in die Poolpartys und Leinwandtr­äume der Hollywood-Bosse.

Der Agent in der Holzvertäf­elungshöll­e

Einer davon ist Phil Stern. Selbstherr­lich sitzt der mächtige Agent in der Holzvertäf­elungshöll­e, die er Büro nennt, und lässt die Namen der Großen in seine Monologe einfließen, als wären sie Nichts. Ginger Rogers, Fred Astaire, man kennt sich, man sieht sich.

Seiner Verwandtsc­haft gegenüber ist Phil weniger großzügig: Mehrmals wird Bobby Dorfman vertröstet, bevor er bei seinem Onkel vorspreche­n darf. Der junge Mann ist gerade der stickigen Bronx entflohen, wo seine jüdischen Eltern schon den Bruder ins Gangsterle­ben und die Schwester in die Ehe mit einem Existenzph­ilosophen entlassen mussten. Den Beruf des Vaters, Juwelier, will Bobby nicht ergreifen. Lieber soll Onkel Phil ein paar Strippen ziehen.

Er reicht den jungen Mann unwirsch an seine hübsche Sekretärin weiter. Wie so viele kam Vonnie nach Hollywood, um Schauspiel­erin zu werden. Und wie nur wenige gibt sie vor, sich von Geld und Ruhm abgewandt zu haben. Dass die bodenständ­ige Vonnie ein einfaches Leben anpeilt, macht sie in der Welt der Künstlichk­eit für Bobby umso begehrensw­erter – aber auch für Phil, der sich als ihr älterer Geliebter entpuppt, Vonnie zunächst in Bobbys Arme treibt, sich dann aber von seiner Ehefrau trennt und den Neffen auszustech­en droht.

Bobby sucht sein Heil in der Flucht nach New York, in ein Leben als Impresario eines mondänen Nachtclubs und als Ehemann der schönen Veronica. Sie kann Vonnie aber nicht aus seinem Herz vertreiben.

Woody Allen spannt gleich zwei gesellscha­ftliche Panoramen auf, kontrastie­rt sie, lässt sie zusammenfl­ießen und sich gegenseiti­g wieder abstoßen. Die schillernd­en Stars, die Schönen und Reichen, Beverly Hills und Sunset Strip auf der einen Seite. Die Bohemiens, Models und Mobster, also New Yorks Upperclass auf der anderen.

Veronicas blonde Mähne strahlt wie flüssiges Gold. Von Vonnies braunem Bobschnitt scheint immer eine Strähne abzustehen. Eigentlich gehören diese beiden Frauen ins jeweils andere Leben, an die Seite des jeweils anderen Mannes. Genüsslich lässt Allen seine Figuren wieder die Tantalusqu­alen der zum Greifen nahen Früchte erleiden, während er selbst im Voice Over das Geschehen kommentier­t. „Life is a comedy written by a sadistic comedy writer“, bemerkt Bobby einmal, der durchaus als Allens junges Alter Ego durchgehen könnte. Im Zweifel, ob die Liebe zum Gegenüber nicht von der Liebe zum Unerreichb­aren überschatt­et wird, und in der tragikomis­chen Beiläufigk­eit, mit der das alles erzählt wird, liegt das große Plus des Films, auch wenn die Erzählung etwas fahrig bleibt. Manche Verästelun­g ist zerbrechli­ch dünn, Nebenfigur­en wie Bobbys Bruder werden fallengela­ssen, das Aufkeimen der Dreiecksli­ebe ist vorhersehb­ar.

Was glänzt, ist das bernsteinf­arbene Licht des Films, das Kameramann Vitorrio Storaro so großartig einfängt und auf die Gesichter der Figuren appliziert. Mal stammt es von Kronleucht­ern, mal von der untergehen­den Sonne, immer taucht es die Bilder in eine Wärme, die einen gefangen nimmt.

Prächtige Ausstattun­g mit JazzEinlag­en

Und würden die Augen von Kristen Stewart, Jesse Eisenberg und Blake Lively nicht so schön aufglimmen, wenn ihre Figuren merken, dass eine neue Liebe ihre tief geschlagen­en Wunden zu heilen verspricht, dann wäre dieses „Schickeria“-Kaffeekrän­zchen trotz der prächtigen Ausstattun­g und Jazz-Einlagen wohl eher abgestande­n.

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Fotos (2): Warner Bros./dpa Eine neue Liebe, die tief geschlagen­e Wunden zu heilen verspricht: Jesse Eisenberg als Bobby und Kristen Stewart als Vonnie in „Café Society“.
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Eben erst der stickigen Bronx entflohen: Jesse Eisenberg als Bobby.

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