Thüringische Landeszeitung (Jena)
Wo die männlichen und weiblichen Kräfte miteinander verschmelzen
Jenaer Geheimnisse: Im GoetheGinkgo im Botanischen Garten sind beide Geschlechter in einem Baum vereint
JENA. Jedes Jahr im Herbst lässt sich am sogenannten GoetheGinkgo ein kurioses Schauspiel beobachten. Während die übrigen Äste des knapp 18 Meter hohen Baumes ihre Blätter abwerfen, ist ein einziger Ast über und über mit mirabellenartigen, gelben Samen behangen. Könnte Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) heute an einem sonnigen Oktober- oder NovemberNachmittag den Fürstengraben entlang spazieren und einen Blick auf das nach ihm benannte Prachtexemplar werfen, er hätte mit Sicherheit seine helle Freude daran! Denn der Dichterfürst sah im zweilappigen Blatt des Ginkgos die männlichen und weiblichen Kräfte der Natur miteinander verschmelzen, die Zweiheit zu einer Einheit werden. Und genau das ist es, was der Baum am Zaun des Botanischen Gartens ist: beide Geschlechter in einem einzigen Baum vereint. Ein männliches Ginkgo-Exemplar, aus dem ein weiblicher Ast herauswächst. Zwei in einem, eins aus zwei.
Der Zwitterbaum am Fürstengraben ist keine Laune der Natur, sondern 1969 durch das Eingreifen des Menschen, das so genannte „Pfropfen“, entstanden. So wird das Vorgehen bezeichnet, wenn einem Baum der Ast eines anderen Baumes „aufgepflanzt“wird und dort weiterwächst. „Pfropfungen sind im Gartenbau häufig“, erklärt Stefan Arndt, wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens in Jena. Die Maßnahme dient in der Regel der Veredelung oder dem Erhalt von Obstbäumen und meist nicht weiter der Rede wert. Im Falle des Goethe-Ginkgos in Jena allerdings liegt die Sache anders, erklärt der Jenaer Botaniker. „Über den Sinn des weiblichen Astes auf dem männlichen Baum lässt sich nur spekulieren. Sicher wird ein gewisses Interesse bestanden haben, vom legendären Goethe-Ginkgo Samen ernten zu können.“Dafür müssten beim Ginkgo biloba beide Geschlechter vorhanden sein: Bei dem sogenannten „zweihäusigen“Baum gibt ist
es männliche und weibliche Exemplare, die in den ersten 30 Jahren ihres Lebens nur schwer voneinander zu unterscheiden sind und erst danach Blüten bilden und sich fortpflanzen können. „Das hat der Ginkgo mit etlichen anderen Bäumen gemeinsam, die ebenfalls bei uns wachsen. Die gewöhnliche Eibe, der Wacholder, der Sanddorn oder alle WeidenArten gehören auch dazu“, führt Stefan Arndt aus.
Goethe selbst hat mit der Vereinigung von beiden Geschlechtern in dem nach ihm benannten Baum natürlich nichts zu tun. Das gilt nicht nur für die Pfropfung, sondern genau genommen für den ganzen Baum. Denn selbst, wenn sich die Legende hartnäckig hält, so hat er ihn weder gepflanzt noch jemanden anderen damit beauftragt, diese Arbeit für ihn zu übernehmen. Vom Pflanzen eines damals in Europa so exotischen Baumes berichtet der Dichter, der selbst belanglose Informationen akribisch in seinen Tagebüchern festhielt, nämlich nichts. Sehr wohl lässt sich jedoch sagen, dass Baum und Dichter Zeitgenossen waren. Zwischen 1790 und 1794 dürfte der damals sehr exotische Ginkgo aus Asien seine ersten Wurzeln in den Boden der Stadt Jena getrieben haben und ist damit einer der ältesten seiner Art in Deutschland.
1794 entstand aus dem Hortus Medicus, einem Garten mit Heilkräutern und seltenen Pflanzen, und dem herzoglichen Lustgarten auf Goethes Initiative der Botanische Garten. In den fünf Jahren, die er zwischen seinem ersten Aufenthalt 1775 und seinem letzten Besuch im Jahr 1831 in Jena verbrachte, war der weimarische Staatsminister oft dort anzutreffen. Die Faszination mit dem Ginkgo im Allgemeinen und seinen Blättern im Besonderen ergriff den Dichter und Naturforscher wohl erst 40 Jahre nachdem der Baum in Jena gepflanzt worden war. Es war während eines Besuches in Frankfurt 1815, dass der damals 66-Jährige sein berühmtes Gedicht „Ginkgo biloba“aufschrieb und damit seiner Liebe zu seiner wesentlich jüngeren Freundin Marianne von Willemer (1784-1860) ein Denkmal setzte. In den drei Strophen stellt er die Frage, ob das Ginkgoblatt – und damit er und Marianne – ein Wesen sei, das sich in zwei trennt, oder ob es zwei seien, die sich zu einem vereinen. „Fühlst du nicht an meinen Liedern, dass ich eins und doppelt bin?“, fragt er in der letzten Zeile und machte damit den Ginkgobaum und dessen symbolische Kraft berühmt.
Das bekommt der GoetheGinkgo in Jena bis heute zu spüren: Seine Blätter gelten als Glücksbringer und werden von Einheimischen und Besuchern gleichermaßen gesammelt. JENA. Seit mehr als zehn Jahren steht Hagen Rether mit dem Programm „Liebe“auf der Bühne. Am Freitag, 18. November, ist dieses ab 20 Uhr im Volkshaus zu erleben. „Den Titel hat er nicht geändert, wozu auch, die Inhalte wandeln sich zwangsläufig mit anwachsenden Katastrophen. Und wahrscheinlich sind die schuld daran, dass für Musik leider kaum mehr Zeit bleibt“, so der Veranstalter.
Hagen Rether habe soviel zu sagen über diesen Loriot-Sketch namens Deutschland, wo Erstsemester-Elternabende in Fußballstadien stattfinden müssen, wo man Beleidigungen auf Vordrucken bekommt, wo „Sex und Gewalt“in einem Atemzug genannt werden, aber keiner sich traut, einen Schützenverein zu verbieten, wo ein linker Politiker vor Gericht kommt, weil er eine Nazi-Demo „gestört“hat, wo jede fünfte Frau Opfer sexueller Gewalt ist. „Das sind 80 Frauen hier im Zelt“, sagt Rether und blickt sich ruhig um. Merken Sie was? „Es geht um uns!“
Mit untertanenhafter „Empörsülze“gegen „die da oben“mögen sich andere Kabarettisten vergnügen. Hagen Rether zieht sein Publikum an der eigenen Nasenspitze durch den Ring. Denn die Amazon-Käufer, die Flatrate-Freier, die Phrasendrescher, die Augenverschließer, die Fleischesser, die Ressentiment-Recycler – die sind wir.