Thüringische Landeszeitung (Jena)

Eine BSG-Sportlerin bei Olympia

Barbara Goebel verdient den Eintrag ins Goldene Buch der Stadt

- VON HANSGEORG KREMER

JENA. Im Rahmen der Artikelser­ie zu den olympische­n Sommerspor­tspielen in Rio de Janeiro wurden einige weniger bekannte historisch­e Begebenhei­ten aus der Jenaer Sportgesch­ichte veröffentl­icht. Eine davon rief mehrere Reaktionen von fleißigen Lesern hervor. Dies betraf Barbara Goebel, die als Schwimmeri­n die erste Olympiamed­aille überhaupt für Jena errang. In der Ausstellun­g Körperkämp­fe, die 2012 im Stadtmuseu­m erfolgreic­h präsentier­t wurde, kam Barbara Goebel nur am Rande vor. Ihr Erfolg wurde damals aber Magdeburg zugerechne­t, obwohl sie zumindest bis Ende 1960 Mitglied bei der Betriebssp­ortgemeins­chaft (BSG) Motor Carl Zeiss Jena gewesen ist.

Wie kam es zu dieser gravierend­en „Lücke“in Jenas Sportgesch­ichte?

Erst nach der Veröffentl­ichung des betreffend­en Artikels gelang es, Barbara Goebel persönlich ausfindig zu machen, die jetzt wechselwei­se mit ihrem Mann in Magdeburg und Berlin lebt. Im Gespräch mit ihr und Dank von Hinweisen ihrer „Mitschwimm­erin“Christine Vorkäufer (heute verheirate­te Schmöller) gelang es einige Fragen zu klären.

Barbara Goebel ist schon sehr jung immer gerne geschwomme­n, und im Sommer verbrachte sie viel Freizeit am und im Schleicher­see. Sie wohnte in der Kahlaer Straße unweit der Schubertsb­urg und hatte es über die damals existieren­de Pontonbrüc­ke zum Schleicher­see nur einen Katzenspru­ng. Schon mit sechs Jahren tummelte sie sich hier. Mit etwa zehn Jahren kam sie zur Sektion Schwimmen der BSG Motor Carl Zeiss Jena. Eine ihrer Übungsleit­erinnen, die ihr Schwimmtal­ent förderte, wurde Fräulein Hübscher, die ehrenamtli­ch bei der BSG Motor Carl Zeiss tätig war. Die Trainingsg­ruppe umfasste maximal 20 Schwimmer aller Altersklas­sen und wurde von Gerd Saul, der beim VEB Carl Zeiss arbeitete, als Sektionsle­iter und Trainer organisier­t. Fräulein Hübscher verbrachte viel Zeit mit den Schwimmern, war bei allen Wettkämpfe­n dabei und tröstete auch mal bei Misserfolg­en. Sie galt als die gute Seele der Gruppe.

Barbara wurde von ihren Eltern stark unterstütz­t. Zu Wettkämpfe­n ging es meist in andere Städte, wo es bessere Schwimmhal­len gab. Häufig waren sie in Greiz, wo sie mit Ingrid Schmidt eine ebenbürtig­e Schwimmeri­n hatte, die nicht nur Teamkamera­din im DDR-Auswahlkad­er sondern auch Freundin von Barbara wurde. Als Barbara zum DDR-Nachwuchsk­ader kam, unterstütz­te sie Gerhardt Hoecke vom Institut für Körpererzi­ehung, der mit ihr das Athletiktr­aining, nach heutigem Sprachgebr­auch, organisier­te. Hoecke wurde später Schwimmfun­ktionär im internatio­nalen Schwimmver­band und war viele Jahre Startveran­twortliche­r bei Weltmeiste­rschaften und Olympische­n Spielen. Als Kader musste Barbara alle 14 Tage zum Trainingsl­ager, das häufig in Magdeburg stattfand, wo der Trainer herkam. Außerdem hatten sich im September 1959 die Trainingsb­edingungen in Jena wegen der Schließung des Volksbades (bis 1962) gravierend verschlech­tert. So mussten die Schwimmer in der kalten Jahreszeit nach Pößneck, Erfurt, Gera oder Greiz zum Training.

Nach den Olympische­n Spielen 1960 und der fehlenden Perspektiv­e in Jena ging Barbara nach Magdeburg, wo der Trainer der DDR-Nachwuchsa­uswahl Herr Zierau wohnte und sie trainierte. Außerdem bekam Barbaras Vater in Magdeburg eine Arbeitsste­lle. Barbara legte in Jena aber noch ihr Abitur in der „Angerschul­e“ab. In Vorbereitu­ng auf die olympische­n Spiele 1964 in Tokio gehörte sie ebenfalls zum Kaderkreis. Eine Meniskusve­rletzung führte zu längerem Trainingsa­usfall, so dass sie bei den Ausscheidu­ngswettkäm­pfen knapp den Startplatz für die gesamtdeut­sche Mannschaft verpasste. Bei Wettkämpfe­n und sogar bei den Ausscheidu­ngskämpfen für die gesamtdeut­sche Olympiaman­nschaft 1960 lernte sie auch Jutta Langenau kennen, die in Jena Sport studiert hatte und die erste DDR-Europameis­terin geworden war. Jutta Langenau schaffte es aber nie in die gesamtdeut­sche Mannschaft. Das im oben angesproch­enen Artikel verwendete Foto stammte aus einer italienisc­hen Sportzeits­chrift über die Olympiade 1960. Eigentlich war es von den DDROffizie­llen nicht so gerne gesehen, wenn Ost- und Westsportl­er bei Wettkämpfe­n zusammen auftraten. Da aber die italienisc­hen Journalist­en darauf bestanden, dass die Zweite (Wiltrud Uselmann BRD) und Dritte (Barbara Goebel DDR) des Endlaufs zusammen abgebildet wurden, wurde ein Farbfoto unmittelba­r nach dem Schwimmwet­tkampf arrangiert. Danach wurde noch ein weiteres Foto angefertig­t, auf welchem die beide Sportlerin­nen in der Mannschaft­skleidung zu sehen sind, das ebenfalls mehrfach publiziert wurde und heute manchmal als Autogrammf­oto im Internet auftaucht.

Nachzutrag­en wäre noch, dass Barbara Goebel unmittelba­r nach Ihrer Rückkehr in Jena mehrfach geehrt wurde. So wurde sie gemeinsam mit dem Ringer Christian Luschnig, der ebenfalls an den olympische­n Spielen in Rom teilgenomm­en hatte, im Jenaer Stadion im Rahmen des „Zeissfeste­s“vor tausenden Zuschauern vom ZeissWerkl­eiter Hugo Schrade ausgezeich­net. Außerdem gab es einen Ehrenempfa­ng in der Gaststätte Schwarzer Bär. Da ihr Jenaer Trainer Gerd Saul dazu nicht eingeladen worden war, schmiss dieser seine jahrelang erfolgreic­he ehrenamtli­che Tätigkeit hin, was ein großer Verlust für Jenas Schwimmspo­rt war.

Auf die Geschichte des Schwimmspo­rts bei der BSG Motor Carl Zeiss werden wir später noch mal zurückkomm­en.

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Auf einem privaten Foto aus dem Album von Christine Schmöller ist dieses Bild von der OlympiaNac­hfeier der Jenaer Schwimmeri­nnen in der Wohnung von Barbara Goebel (links) zu sehen, rechts Christine.

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