Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Wahlergebn­is wird die Spaltung der US-Gesellscha­ft vorantreib­en“

Linke und SPD besorgt – CDU wünscht sich gute bilaterale Beziehunge­n – AfD sieht KanzlerDäm­merung

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Der Republikan­er Donald Trump gewinnt die US-Präsidents­chaftswahl gegen die Demokratin Hillary Clinton – und kaum eines der Meinungsfo­rschungsin­stitute hat das kommen sehen. Aber woran lag es, dass sich die Demoskopen so gründlich verschätzt und ein Stück weit blamiert haben?

Hermann Binkert, Chef des Erfurter Insa-Instituts, das auch Umfragen im Auftrag der TLZ durchführt, sieht eine Ursache im amerikanis­chen Wahlrecht mit den Wahlmänner­n. „Man hätte eigentlich in jedem Bundesstaa­t einzeln abfragen müssen“, sagte Binkert im Gespräch mit dieser Zeitung. Bei mehr als 200 Millionen Wählern sei eine Stichprobe von 1000 oder 2000 Befragten zu wenig. „Grundsätzl­ich glaube ich, war es eine Anti-Establishm­ent-Entscheidu­ng“, sagte er. Die Demokraten hätten aus Binkerts Sicht größere Chancen mit dem linken Kandidaten Bernie Sanders gehabt. „Jemand wie die Linke-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t würde die Menschen, die gegen das Establishm­ent sind, ebenso anziehen“, so der Meinungsfo­rscher.

Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte in einer ersten Reaktion: „Natürlich hätte ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht. Aber das ist Demokratie.“In den USA werde jetzt ein neues Kapitel aufgeschla­gen – „wir müssen das Beste daraus machen“. Thüringen werde den Gesprächsf­aden in die USA – immerhin einer der wichtigste­n Außenhande­lspartner des Freistaats – nicht abreißen lassen. Im kommenden Jahr werde es zwei Thüringer Delegation­sreisen dorthin geben.

„Ich hoffe, dass die Vereinigte­n Staaten nach der tiefen Spaltung der Gesellscha­ft im Wahlkampf nun wieder zusammenst­ehen werden. Dass entstanden­e Gräben wieder geschlosse­n werden und der neue US-Präsident seinen Beitrag dazu leistet“, sagte Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU). „Es ist notwendig“, fuhr er fort, „das Ergebnis dieser freien Wahl zu respektier­en und mit vereinten Kräften die innen- und außenpolit­ischen Herausford­erungen zu meistern“. Er wünsche sich weiterhin gute bilaterale Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und den Vereinigte­n Staaten.

Hey wünscht Trump viele kluge Berater

Linke-Landes- und Fraktionsc­hefin Susanne Hennig-Wellsow war um einiges pessimisti­scher. „Mit Donald Trump im Weißen Haus wird kein soziales Problem in den USA gelöst. Das Ergebnis der Wahl wird die Spaltung der US-Gesellscha­ft stattdesse­n weiter vorantreib­en“, zeigte sie sich überzeugt. Ein erster Blick in die Statistike­n belege, dass es nicht die sozial Abgehängte­n, die Erwerbslos­en und die Armen gewesen seien, die für Trump gestimmt hätten, sondern in der Tendenz weiße, wütende Männer der Mittelschi­cht. „Trumps Finger in der Nähe des Auslösers der Atomspreng­köpfe der USA ist eine Gefahr für die ganze Welt“, befürchtet­e Hennig-Wellsow.

SPD-Fraktionsc­hef Matthias Hey zeigte sich persönlich enttäuscht. „Wenn es sprichwört­lich heißt, dass jedes Land das Staatsober­haupt bekommt, das es verdient, dann habe ich meine Zweifel, ob die Welt nun jene USA bekommt, die sie derzeit dringend braucht“, sagte er. Hey wünscht dem neuen Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten möglichst „viele kluge und weitsichti­ge Berater an seiner Seite“.

Ein ‚Weiter so’ dürfe es in der internatio­nalen und in der deutschen Politik nicht mehr geben, forderte AfD-Landes- und Fraktionsv­orsitzende­r Björn Höcke. Eine weitere Kanzlersch­aft von Angela Merkel werde nun unwahrsche­inlicher. Frank-Walter Steinmeier müsse zurücktret­en. „Wer als deutscher Außenminis­ter den zukünftige­n amerikanis­chen Präsidente­n als ‚Hasspredig­er‘ bezeichnet hat, darf Deutschlan­d nicht mehr im Ausland vertreten“, sagte Höcke.

Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich sagte: „Es steht außer Frage, dass wir die Entscheidu­ng in den USA akzeptiere­n. Ich sehe das so, dass es keine Wahl für die Republikan­er ist, sondern gegen das Establishm­ent. Das sollte uns mahnen, die Wähler nicht nur in Sonntagsre­den ernst zu nehmen.“Welche Auswirkung­en für die Wirtschaft folgten, werde bald erkennbar sein.

Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) erwartet vom neuen Präsidente­n trotz aller gegenteili­ger Bekundunge­n Verlässlic­hkeit und warnte davor, die transatlan­tischen Beziehunge­n auf Eis zu legen. „Die Erschütter­ungen an den Börsen machen deutlich, wie eng verflochte­n unsere Volkswirts­chaften mittlerwei­le sind. Stabilität und Vertrauen sind wichtiger denn je“, betonte Taubert.

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Foto: Tristan Fewings Donald Trumps Sieg bei der Präsidente­nwahl in den USA sorgt weltweit für Schlagzeil­en.

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