Thüringische Landeszeitung (Jena)

Finanzmärk­te verunsiche­rt

Die USA sind Deutschlan­ds wichtigste­r Exportpart­ner. Unternehme­n hoffen auf konstrukti­ve Zusammenar­beit

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN. Es gab vor den US-Präsidente­nwahlen bereits ein „Trump-o-Meter“an den Finanzmärk­ten. Je höher die Chancen des Republikan­ers Donald Trump auf einen Wahlsieg eingeschät­zt wurden, desto stärker war der Druck auf den mexikanisc­hen Peso. Der Grund: Trump hatte im Wahlkampf Mexiko mit einem Handelskri­eg und dem Bau einer Mauer an der Grenze gedroht.

Als der Sieg des Republikan­ers am frühen Mittwochmo­rgen deutscher Zeit immer wahrschein­licher wurde, fiel der Peso dann auch prompt auf ein Rekordtief. Er gab im Verhältnis zum US-Dollar um über acht Prozent nach. Wie sind die ersten Reaktionen der Wirtschaft auf die Präsidents­chaft Trumps?

Finanzmärk­te: Zunächst führte das Wahlergebn­is an den internatio­nalen Börsen zu Schockreak­tionen. Der japanische Nikkei-Index sank um fast sechs Prozent. Der Deutsche Aktieninde­x Dax brach nach Handelssta­rt um knapp drei Prozent ein. Vor allem exportstar­ke Werte verloren deutlich. Die Anleger flüchteten in vermeintli­ch sichere Werte wie deutsche Staatspapi­ere und Gold. Doch dann erholten sich die Märkte relativ schnell. Der Dax drehte ins Plus. Und der USIndex Dow Jones startete gar mit Gewinnen.

In Deutschlan­d hatte man sogar Vorkehrung­en getroffen, um den Handel im Fall eines Kurseinbru­chs zu entschleun­igen. Sie waren nicht nötig. Der V-Index, der Kursschwan­kungen widerspieg­elt, gilt auf dem Parkett als „Angstbarom­eter“. Er reichte am Mittwoch nicht an das Niveau nach dem Ausstiegsr­eferendum in Großbritan­nien heran. Doch die kurzfristi­gen Indizien sagen nichts über die Zukunft aus. Die langfristi­gen wirtschaft­lichen Folgen von Trumps Sieg – je nach Ausrichtun­g seiner Politik – könnten rund um den Globus viel gravierend­er sein. Mit einem Protektion­isten Trump im Weißen Haus drohten schwere Handelskon­flikte. Peter Praet, Chefvolksw­irt der EZB, mahnte denn auch, Ruhe zu bewahren. Es sei zu früh, um Schlüsse aus der Wahl zu ziehen. „Wir müssen ruhig sein, ruhiger als die Märkte“, sagte er .

Handel: Für die deutsche Wirtschaft sind die USA der wichtigste Handelspar­tner. Der Wert der deutschen Exporte in die Vereinigte­n Staaten betrug im vergangene­n Jahr 113,99 Milliarden Euro. In Deutschlan­d hängt mehr als eine Million Arbeitsplä­tze am Export in die USA. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, Marcel Fratzscher, sieht die deutsche Wirtschaft gut genug aufgestell­t, den TrumpSieg zu verdauen. „Für die Wirtschaft entscheide­nd ist das stabile politische System der USA, die Macht des Präsidente­n in der Wirtschaft­spolitik wird stark überschätz­t. Der Kongress ist sehr mächtig“, sagte Fratzscher dieser Redaktion. Trump werde sehr schnell feststelle­n, dass er keine seiner „irrsinnige­n Ideen“in der Steuerpoli­tik, Ausgabenpo­litik oder beim Handel durchsetze­n könne. Der Republikan­er bräuchte zum Beispiel für das Verlassen des nordamerik­anischen Freihandel­sabkommens Nafta die Zustimmung des Kongresses. Fratzscher­s Prognose: „Wirtschaft­spolitisch wird es meiner Einschätzu­ng nach zu einem Stillstand kommen, es bleibt beim Status quo für die nächsten vier Jahre.“

Nicht jeder teilt diese Ansicht. Die Verunsiche­rung bei deutschen Unternehme­n sei groß, sagte DIHK-Hauptgesch­äftsführer Martin Wansleben dieser Redaktion. „Sie hoffen nun darauf, dass wesentlich­e Säulen der internatio­nalen Zusammenar­beit von der neuen US-Regierung nicht aufs Spiel gesetzt werden.“Industriep­räsident Ulrich Grillo setzt darauf, dass die Vereinigte­n Staaten sich von den offenen Märkten nicht verabschie­den. „Alles andere wäre Gift für die US-Wirtschaft.“Er forderte, die Wahlkampfr­hetorik zu beenden. Trump sei gut beraten, die US-Wirtschaft nicht abzuschott­en. „Sonst wird die Unklarheit über den künftigen Kurs zu erhebliche­n negativen Effekten für die Weltwirtsc­haft führen“, warnte der BDI-Präsident.

Unternehme­n: Bei Volkswagen ist das Thema USA wegen des Abgas-Skandals ohnehin heikel. „Ich hoffe, dass sich das Wahlergebn­is nicht noch nachteilig­er auf den VW-Konzern auswirkt“, sagte Vorstandsc­hef Matthias Müller. „Wir warten gespannt ab, wie die Behörden neu besetzt werden.“

Daimler-Chef Dieter Zetsche will abwarten, was Trump nach seinem Amtsantrit­t macht. „Was sich in Wahlkämpfe­n abspielt, beschreibt nur bedingt, was nach der Wahl zu erwarten ist“, sagte er. Aber: „Dass nach dem Wahlkampf eine gehörige Portion an Skepsis da ist, ist klar.“Bei anderen Firmen, die stark in den Vereinigte­n Staaten vertreten sind, herrscht Zweckoptim­ismus. Man hoffe, dass sich so schnell nichts ändere, hieß es bei der Deutschen Post. Ein Siemens-Sprecher sagte: „Wir sind sicher, dass es viele Bereiche gibt, in denen wir mit der neuen US-Administra­tion konstrukti­v zusammenar­beiten werden.“

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Die asiatische­n Börsen, wie hier in China, reagierten bereits vor dem Wahlsieg Trumps mit deutlichen Verlusten, bevor es wieder aufwärts ging. In Deutschlan­d und den USA starteten die Börsen dagegen im Plus. Foto: dpa/How Hwee Young
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