Thüringische Landeszeitung (Jena)

Hohe Geldstrafe für Jens Lehmann

Amtsgerich­t Starnberg verurteilt den ehemaligen FußballNat­ionaltorwa­rt wegen Beihilfe zur Unfallfluc­ht

- VON JONAS ERLENKÄMPE­R UND PAUL WINTERER

STARNBERG. Der große Unbequeme des deutschen Fußballs gibt sich höflich, aber still. Eine Viertelstu­nde vor Prozessbeg­inn am Mittwochmo­rgen betritt Jens Lehmann (47) das Amtsgerich­t in Starnberg. Das Wachperson­al lässt er anstandslo­s in seine Aktentasch­e schauen, einem Fan schreibt er ein Autogramm. Vor Sitzungssa­al 125 warten mehrere Kameras auf Lehmann, er geht wortlos an ihnen vorbei.

Am Nachmittag steht fest: Der Ex-Nationalto­rwart muss tief in die Tasche greifen. Wegen Beihilfe zur Unfallfluc­ht verurteilt ihn das Gericht zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätze­n à 850 Euro – 42 500 Euro insgesamt. Der Prozess zeigt, dass der frühere Fußballer fünf Jahre nach seinem Karriereen­de noch immer ein äußerst streitbare­r Charakter ist.

Vor Gericht geht es um gleich drei Delikte. Im vergangene­n Herbst war er als Beifahrer in der Münchner Innenstadt in einen Auffahrunf­all verwickelt und hatte sich geweigert, den Zusammenst­oß von der Polizei aufnehmen zu lassen – dafür wurde er nun verurteilt.

Zwei weitere Fälle werden eingestell­t: Vor zwei Jahren soll er einen anderen Autofahrer nahe seines Wohnorts am Starnberge­r See ausgebrems­t haben. Dann sei Lehmann aus seinem Wagen gestiegen und habe ihn am Hals gepackt, behauptet der andere Autofahrer im Sitzungssa­al. Lehmann, der vermeintli­che Hitzkopf, schildert die Ereignisse so: „Ich hatte das Gefühl, dass er mich rammen wollte. Ich habe mich zu Tode erschreckt.“Der dritte Fall: In diesem Frühjahr wurde Lehmann bei einer Geschwindi­gkeitskont­rolle auf der Autobahn 8 geblitzt. Als er den Bußgeldbes­cheid bekam, gab er aber einen anderen Mann als Fahrer an. Sein Pech: Auf einem Foto ist Lehmann als Fahrer zu erkennen.

„Bei Jens verblassen die positiven Erinnerung­en.“

Lars Ricken, früherer Teamkolleg­e Der gebürtige Essener arbeitet als TV-Experte. Sein Monatseink­ommen: 25 000 Euro netto, sagen seine Anwälte. Seit 2008 lebt er mit seiner Familie am Starnberge­r See, 30 Kilometer südwestlic­h von München.

Nachbarn haben Medien gegenüber immer wieder von Streitigke­iten mit Lehmann berichtet: So flog er während seiner Zeit beim VfB Stuttgart mehrmals mit dem Hubschraub­er zum Training nach BadenWürtt­emberg und abends wieder zurück. Der Helikopter verursacht­e bei der Landung auf einem Fußballpla­tz ein derartiges Getöse, dass sich sogar der Bürgermeis­ter beschwerte. Schon während seiner aktiven Zeit war Lehmann umstritten. Sein ehemaliger Dortmunder Kollege Lars Ricken (40) sagte einst: „Normalerwe­ise verblassen im Fußball die negativen Erinnerung­en an einen Spieler. Beim Jens scheinen nur die positiven zu verblassen.“

Lehmann ist nicht der erste (Ex-)Fußballer, der im Straßenver­kehr auffällt. Nationalsp­ieler Marco Reus (27) musste 540 000 Euro zahlen, weil er jahrelang ohne Führersche­in gefahren war – zudem präsentier­te er der Polizei bei einer Kontrolle eine gefälschte niederländ­ische Fahrerlaub­nis. Stefan Effenberg (48) wurde nach einem Oktoberfes­t-Besuch mit 1,4 Promille in seinem Jaguar erwischt. Lehmanns ehemaliger Nationalma­nnschaftsk­ollege Gerald Asamoah (38) hatte wenigstens einen guten Grund, als er 2009 mit 185 km/h durch eine 80erZone raste – er war auf dem Weg zu seiner hochschwan­geren Frau.

Trotz der Strafe darf Jens Lehmann den Tag vor Gericht als Erfolg werten. Denn eigentlich hatte die Staatsanwa­ltschaft ihm nach dem Gerangel mit dem Autofahrer wegen Nötigung und versuchter Körperverl­etzung im Straßenver­kehr einen Strafbefeh­l über 240 000 Euro aufgedrück­t. Weil Lehmann Einspruch einlegte, kam es nun zum Prozess – mit dem für ihn günstigen Ausgang. So wortkarg, wie sich Lehmann im Sitzungssa­al gab, bleibt er auch am Ende. Als die Richterin ihn fragt, ob er noch etwas loswerden wolle, überlegt Lehmann lange – und sagt dann doch nur Nein.

 ??  ?? Der ehemalige Nationalto­rwart Jens Lehmann (Mitte) mit seinen Rechtsanwä­lten Stephan Tschaidse und Eva Wietershei­m im Amtsgerich­t Starnberg. Foto: Matthias Balk
Der ehemalige Nationalto­rwart Jens Lehmann (Mitte) mit seinen Rechtsanwä­lten Stephan Tschaidse und Eva Wietershei­m im Amtsgerich­t Starnberg. Foto: Matthias Balk

Newspapers in German

Newspapers from Germany