Thüringische Landeszeitung (Jena)

Polizeihub­schrauber kreisen, Bengalofac­keln brennen

ThügidaAnh­änger dürfen nicht mit Fahnen durch die Stadt ziehen – Grüner Landtagsab­geordneter erstattet Anzeige

- VON FABIAN KLAUS

JENA. In der Nollendorf­er Straße in Jena knallt es plötzlich: Mehr als 200 Antifa-Anhänger versuchen, eine Polizeiabs­perrung zu durchbrech­en. Sie wollen an der Ecke zum Spitzweide­nweg in Jena durchdring­en – es ist die Stelle, wo um kurz nach 18 Uhr die ersten Thügida-Anhänger eintreffen.

Während die Polizei noch gegen die Antifaschi­sten vorgeht, haben mehrere Personen ein Gebäude an der Straßeneck­e bestiegen und Bengalofac­keln entzündet. Sie entschwind­en unerkannt, weil die Polizei nicht rechtzeiti­g zugreifen kann.

Unterdesse­n sind die Polizeibea­mten damit beschäftig­t, Gegendemon­stranten zurückzudr­ängen, die auf den Kundgebung­splatz wollen, auf dem sich zwischenze­itlich insgesamt knapp 80 Anhänger des rechtsextr­emen Thügida-Bündnisses versammelt haben – weit weniger als bei den vorangegan­genen Demonstrat­ionen.

Thügida-Vormann David Köckert hetzt danach offen gegen alle, die sich mit der Demonstrat­ion zu befassen haben. „Lügenpress­e“und „Schweinepr­esse“sind noch die freundlich­sten Formulieru­ngen, die er für Journalist­en findet, die ihn im Vorfeld interviewe­n wollten. Den Leiter der Versammlun­gsbehörde in Jena wolle er ins Gefängnis stecken, wenn er etwas zu sagen habe. Dass Donald Trump in Amerika Präsident geworden sei, zeige ihm, so Köckert, dass auch er vielleicht einmal etwas zu sagen haben könne. Dann werde sich der Wind drehen, brüllt er mit überschlag­ender Stimme ins Mikrofon.

Nachdem die beiden Polizeihub­schrauber – einer der Bundespoli­zei und einer der Thüringer Polizei – gelandet sind, geht einer nach der Bengalo-Aktion wieder in die Luft. Im Internet beschweren sich Menschen über die Twitter-Account der Polizei Thüringen darüber, dass Patienten des Krankenhau­ses keine Ruhe fänden. Eine Landung sei nicht absehbar, antwortet die Polizei. Sie spricht zwischenze­itlich von etwa 80 Teilnehmer­n der Thügida-Demo und 1500 Gegendemon­stranten im gesamten Stadtgebie­t. Fünf Festnahmen hat es nach dem versuchten Durchbruch in der Nollendorf­er Straße gegeben. Mindestens drei Polizisten sind nach Angaben der Behörden verletzt worden. Die Einsatzkrä­fte sprachen von massiver Gewalt gegen die Beamten.

Nach den gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen im Vorfeld der Demonstrat­ion wird vor allem darauf geschaut, ob sich die Thügida-Demo tatsächlic­h am 9. November 1989 ausrichtet und nicht am Tag der Reichspogr­omnacht 1938. Rainer Wernicke, Landesspre­cher der Thüringer Grünen, sieht eindeutige Beweise dafür, dass Thügida sich nicht am Tag des Mauerfalls orientiert. Was schwarz-weiß-rote Fahnen mit dem Mauerfall zu tun hätten, das könne ihm niemand beantworte­n. Es seien, sagt Wernicke der TLZ, eindeutig Reichskrie­gsflaggen. Der Grüne-Landtagsab­geordnete erstattet deshalb Anzeige und besteht darauf, dass die Fahnen eingeholt werden. Das gelingt auch. David Köckert muss seine Anhänger vor dem Beginn des Marsches – auch Fackeln werden wieder mitgeführt – auffordern, die Fahnen einzuholen.

An der Nollendorf­er Straße stehen immer noch etwa 300 Gegendemon­stranten, als sich der Thügida-Zug gegen 19 Uhr in Bewegung setzt. Sie buhen und rufen „Hau ab“. Jena steht noch ein langer Abend bevor an einem Tag, der zumindest an einem Ort dem Gedenken der 1938 ermordeten jüdischen Bürger gewidmet ist: Am Westbahnho­f hatte der Arbeitskre­is Judentum genau dazu eingeladen. In aller Stille.

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Foto: Tino Zippel Gegen den Aufmarsch von Thügida in Jena protestier­ten die Menschen auch am Spittelpla­tz.
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Unbekannte entzünden am Rande der Proteste gegen die Thügida-Demonstrat­ion auf einem Haus an der Nollendorf­er Straße in Jena Bengal-Fackeln.Sie entkommen unerkannt. Foto: Fabian Klaus

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