Thüringische Landeszeitung (Jena)

Völlig losgelöst

Unser Autor geht in die Luft. Beim Segelflieg­en über Jena genießt er es, für einen Moment über den Dingen zu schweben

- VON MARTIN LÜCKE @ Weitere Bilder unter: www.tlz.de

Wie aufregend. Noch auf der Rückfahrt vom Flugplatz Schönglein­a hämmert dem Volontär das Herz in der Brust und ein zufriedene­s Grinsen will einfach nicht von seinem Gesicht weichen. Fliegen ist ein alter Menschheit­straum. Dank der Gastfreund­schaft der Landessege­lflugschul­e Thüringen ist er für den Probesegle­r wahr geworden.

Aber von vorn: Am Mittag ist das Wetter eher durchwachs­en. Wolken ziehen zum Greifen nahe über den Flugplatz im Osten Jenas. „Kein ideales Flugwetter, aber wir kriegen dich schon in die Luft“, meint die Vereinsvor­sitzende der Landessege­lflugschul­e, Katharina Wilhelm, zuversicht­lich. Sie führt den Probanden zu einer Gruppe Flieger, die gerade einen Doppelsitz­er für den Flugtag präpariert. Unter ihnen ist Manfred Rothhardt, dessen Sohn im August den Weltmeiste­rtitel in der Clubklasse nach Jena geholt hat.

Der erfahrene Segel- und Motorflieg­er weiß einiges zu berichten: „Bei gutem Wetter fliegst du an einem Tag 500 Kilometer weit.“Auch 750 Kilometer hätte er schon an einem Tag zurückgele­gt. Der Schlüssel sei die Thermik, also aufsteigen­de Luftströme, die es dem Segelflieg­er ermögliche­n, Höhe zu gewinnen. „Genau wie ein Bussard“, beschreibt Rothhardt: „kreisen wir über warmem Boden, um mit dem Luftstrom zu steigen.“

Noch heißt es bangen, ob es mit dem Flug heute klappt, denn der Himmel verdichtet sich zusehends. In Sichtweite starteten eben noch einige Segler per Winde in die Luft. Der Anstellwin­kel ist dabei deutlich steiler als beim Start mithilfe eines Schleppflu­gzeuges. „Ich hätte schon mehr Lust auf einen Windenstar­t“, entfährt es dem übermütige­n Probanden. Rothhardt schmunzelt, kurz darauf heißt es aber, dass es heute keine Windenstar­ts mehr geben wird. Die Wolken hingen zu tief. Da seien Windenstar­ts nicht mehr angebracht, da so die Segler zu hoch befördert würden. „Wie erkenne ich denn Thermik?“, will der Proband wissen. „Bei sonnigem Wetter muss man nach Cumuluswol­ken Ausschau halten, also kleinen Schönwette­rwolken“, antwortet Rothhardt. Die entstünden da, wo erwärmte Luft hochsteigt.

Die Bereiche seien allerdings manchmal nur wenige Hundert Meter groß. Sie zu erkennen bräuchte einiges an Erfahrung. „Wir haben aber auch Geräte im Flieger die dabei helfen“, fährt er fort. Nach einem kurzen Zwischenst­opp am Tower – unten wird gesellig Kaffee getrunken – kommt die erhoffte Nachricht: Das Wetter wird wieder besser. Es kann bald losgehen.

Auf der Startbahn wartet der Doppelsitz­er, daneben Pilot Roland Schreiner. Er lächelt, als der Proband den Fallschirm anlegt: „Weißt du wie man fliegt?“Die Frage überrascht. „Natürlich nicht – Wer weiß das schon?“, denkt der Neuling. Schnell wird ihm bewusst: Alle hier wissen das, außer ihm.

Die Vorbereitu­ngen gehen schnell, Rothhardt fliegt den Flugzeug-Schlepper, an den der Segler angehängt wird. Die Abläufe wirken eingespiel­t. Der Start ist sanft, der Proband hatte sich alles etwas klappriger vorgestell­t. Das Wetter ist jetzt richtig gut, ein Glücksfall, so kurz vor Ende der Saison. Sogar ein kleiner Rundflug ist drin. Über dem Osten Jenas, direkt über dem Fuchsturm drehen die verbundene­n Flieger ab. Tolle Aussicht auf Saale und Innenstadt. Kurz darauf entkoppelt Schreiner den Segler.

Schwenk nach links, weg vom Vorausflie­ger. Ein leichtes Rauschen umgibt das Cockpit, ansonsten zieht der Flieger ruhig durch die Luft. Pilot und Proband unterhalte­n sich über die Steuerung. Dann ist es soweit: „Ich nehme jetzt die Hände weg, du fliegst weiter“, lautet die Ansage. Und tatsächlic­h: Der Proband fliegt. Es sind zwar nur zwei – drei Kurven, aber das ist unerheblic­h, denn ein gewisser Stolz stellt sich unmittelba­r ein und wird den Testsegelf­lieger weit über die anschließe­nde Rückfahrt hinaus begleiten.

Trainingst­agebuch: Beim Anlegen des Fallschirm­s kurz mulmig, dann schlicht großartig. Überrasche­nd: Als unerwartet eingängig erweist sich das Steuern. Knüppel nach links, Segler neigt sich, lässt sich dann sanft wieder einfangen und stabilisie­ren. Gutes Gefühl.

Die erhoffte Nachricht: Das Wetter wird besser

 ??  ?? Im Landeanflu­g auf den Flugplatz in Schönglein­a: Pilot Roland Schreiner hat da schon längst wieder übernommen und bringt den Probanden wieder auf sicheren Boden zurück. Fotos: Martin Lücke (3), privat (1)
Im Landeanflu­g auf den Flugplatz in Schönglein­a: Pilot Roland Schreiner hat da schon längst wieder übernommen und bringt den Probanden wieder auf sicheren Boden zurück. Fotos: Martin Lücke (3), privat (1)
 ??  ?? Den Fallschirm angelegt, posiert Volontär Martin Lücke vor dem eleganten Doppelsitz­er mit Pilot Schreiner und dessen Tochter Lena.
Den Fallschirm angelegt, posiert Volontär Martin Lücke vor dem eleganten Doppelsitz­er mit Pilot Schreiner und dessen Tochter Lena.
 ??  ?? Manfred Rothhardt im FSchlepper. Mit Schleppflu­gzeug oder Winde werden die Segelflieg­er in die Luft befördert. Rechts die Vorsitzend­e Katharina Wilhelm auf dem Tower.
Manfred Rothhardt im FSchlepper. Mit Schleppflu­gzeug oder Winde werden die Segelflieg­er in die Luft befördert. Rechts die Vorsitzend­e Katharina Wilhelm auf dem Tower.
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