Thüringische Landeszeitung (Jena)
Völlig losgelöst
Unser Autor geht in die Luft. Beim Segelfliegen über Jena genießt er es, für einen Moment über den Dingen zu schweben
Wie aufregend. Noch auf der Rückfahrt vom Flugplatz Schöngleina hämmert dem Volontär das Herz in der Brust und ein zufriedenes Grinsen will einfach nicht von seinem Gesicht weichen. Fliegen ist ein alter Menschheitstraum. Dank der Gastfreundschaft der Landessegelflugschule Thüringen ist er für den Probesegler wahr geworden.
Aber von vorn: Am Mittag ist das Wetter eher durchwachsen. Wolken ziehen zum Greifen nahe über den Flugplatz im Osten Jenas. „Kein ideales Flugwetter, aber wir kriegen dich schon in die Luft“, meint die Vereinsvorsitzende der Landessegelflugschule, Katharina Wilhelm, zuversichtlich. Sie führt den Probanden zu einer Gruppe Flieger, die gerade einen Doppelsitzer für den Flugtag präpariert. Unter ihnen ist Manfred Rothhardt, dessen Sohn im August den Weltmeistertitel in der Clubklasse nach Jena geholt hat.
Der erfahrene Segel- und Motorflieger weiß einiges zu berichten: „Bei gutem Wetter fliegst du an einem Tag 500 Kilometer weit.“Auch 750 Kilometer hätte er schon an einem Tag zurückgelegt. Der Schlüssel sei die Thermik, also aufsteigende Luftströme, die es dem Segelflieger ermöglichen, Höhe zu gewinnen. „Genau wie ein Bussard“, beschreibt Rothhardt: „kreisen wir über warmem Boden, um mit dem Luftstrom zu steigen.“
Noch heißt es bangen, ob es mit dem Flug heute klappt, denn der Himmel verdichtet sich zusehends. In Sichtweite starteten eben noch einige Segler per Winde in die Luft. Der Anstellwinkel ist dabei deutlich steiler als beim Start mithilfe eines Schleppflugzeuges. „Ich hätte schon mehr Lust auf einen Windenstart“, entfährt es dem übermütigen Probanden. Rothhardt schmunzelt, kurz darauf heißt es aber, dass es heute keine Windenstarts mehr geben wird. Die Wolken hingen zu tief. Da seien Windenstarts nicht mehr angebracht, da so die Segler zu hoch befördert würden. „Wie erkenne ich denn Thermik?“, will der Proband wissen. „Bei sonnigem Wetter muss man nach Cumuluswolken Ausschau halten, also kleinen Schönwetterwolken“, antwortet Rothhardt. Die entstünden da, wo erwärmte Luft hochsteigt.
Die Bereiche seien allerdings manchmal nur wenige Hundert Meter groß. Sie zu erkennen bräuchte einiges an Erfahrung. „Wir haben aber auch Geräte im Flieger die dabei helfen“, fährt er fort. Nach einem kurzen Zwischenstopp am Tower – unten wird gesellig Kaffee getrunken – kommt die erhoffte Nachricht: Das Wetter wird wieder besser. Es kann bald losgehen.
Auf der Startbahn wartet der Doppelsitzer, daneben Pilot Roland Schreiner. Er lächelt, als der Proband den Fallschirm anlegt: „Weißt du wie man fliegt?“Die Frage überrascht. „Natürlich nicht – Wer weiß das schon?“, denkt der Neuling. Schnell wird ihm bewusst: Alle hier wissen das, außer ihm.
Die Vorbereitungen gehen schnell, Rothhardt fliegt den Flugzeug-Schlepper, an den der Segler angehängt wird. Die Abläufe wirken eingespielt. Der Start ist sanft, der Proband hatte sich alles etwas klappriger vorgestellt. Das Wetter ist jetzt richtig gut, ein Glücksfall, so kurz vor Ende der Saison. Sogar ein kleiner Rundflug ist drin. Über dem Osten Jenas, direkt über dem Fuchsturm drehen die verbundenen Flieger ab. Tolle Aussicht auf Saale und Innenstadt. Kurz darauf entkoppelt Schreiner den Segler.
Schwenk nach links, weg vom Vorausflieger. Ein leichtes Rauschen umgibt das Cockpit, ansonsten zieht der Flieger ruhig durch die Luft. Pilot und Proband unterhalten sich über die Steuerung. Dann ist es soweit: „Ich nehme jetzt die Hände weg, du fliegst weiter“, lautet die Ansage. Und tatsächlich: Der Proband fliegt. Es sind zwar nur zwei – drei Kurven, aber das ist unerheblich, denn ein gewisser Stolz stellt sich unmittelbar ein und wird den Testsegelflieger weit über die anschließende Rückfahrt hinaus begleiten.
Trainingstagebuch: Beim Anlegen des Fallschirms kurz mulmig, dann schlicht großartig. Überraschend: Als unerwartet eingängig erweist sich das Steuern. Knüppel nach links, Segler neigt sich, lässt sich dann sanft wieder einfangen und stabilisieren. Gutes Gefühl.
Die erhoffte Nachricht: Das Wetter wird besser