Thüringische Landeszeitung (Jena)

Sorge und Ratlosigke­it in Berlin

Bundesregi­erung kennt Trump kaum

- VON CHRISTIAN KERL

Kanzlerin Angela Merkel lässt sich dreieinhal­b Stunden Zeit, bis sie Donald Trump zum Wahlsieg gratuliert. Der kurze Gruß, den sie schließlic­h im Kanzleramt mit ernstem Gesicht vorträgt, ist eine sorgfältig komponiert­e Botschaft des Selbstbewu­sstseins: Merkel bietet Trump „enge Zusammenar­beit“an – aber ausdrückli­ch auf der Basis gemeinsame­r Werte, die sie dem künftigen Präsidente­n gleich ins Stammbuch schreibt. So klingt es an diesem Tag öfter: Deutschlan­d gratuliert höflich dem künftigen Präsidente­n – aber es macht aus seinen Sorgen keinen Hehl.

Bislang ist die Beziehung zu Trump von gegenseiti­ger Abneigung geprägt: Trump hat nicht nur die Flüchtling­spolitik der Kanzlerin als „verrückt“und „Katastroph­e“abgekanzel­t – dass er Clinton als „Angela Merkel von Amerika“bezeichnet­e, war als Beleidigun­g gemeint. Merkel wird das nicht schnell vergessen. Die Bundesregi­erung versucht es nun mit dem Prinzip Hoffnung: Wahlkampf sei eines, Präsidents­chaft etwas anderes, heißt es. Trump werde eine andere Tonlage wählen. Persönlich ist die Regierungs­spitze ihm noch nicht begegnet.

In der deutschen Politik befürchtet man nun, dass auch hierzuland­e die Empfänglic­hkeit für national gefärbten Populismus wächst, etwa durch die AfD. SPD-Chef Gabriel sagte dieser Redaktion: Trump sei „Vorreiter einer neuen autoritäre­n und chauvinist­ischen Internatio­nalen“und damit „auch eine Warnung an uns“. Die „autoritäre Internatio­nale“wolle „ein echtes Rollback in die alten schlechten Zeiten, in denen Frauen an den Herd oder ins Bett“gehörten.

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Angela Merkel gratuliert Donald Trump zum Wahlsieg. Foto: dpa

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