Thüringische Landeszeitung (Jena)
Sorge und Ratlosigkeit in Berlin
Bundesregierung kennt Trump kaum
Kanzlerin Angela Merkel lässt sich dreieinhalb Stunden Zeit, bis sie Donald Trump zum Wahlsieg gratuliert. Der kurze Gruß, den sie schließlich im Kanzleramt mit ernstem Gesicht vorträgt, ist eine sorgfältig komponierte Botschaft des Selbstbewusstseins: Merkel bietet Trump „enge Zusammenarbeit“an – aber ausdrücklich auf der Basis gemeinsamer Werte, die sie dem künftigen Präsidenten gleich ins Stammbuch schreibt. So klingt es an diesem Tag öfter: Deutschland gratuliert höflich dem künftigen Präsidenten – aber es macht aus seinen Sorgen keinen Hehl.
Bislang ist die Beziehung zu Trump von gegenseitiger Abneigung geprägt: Trump hat nicht nur die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin als „verrückt“und „Katastrophe“abgekanzelt – dass er Clinton als „Angela Merkel von Amerika“bezeichnete, war als Beleidigung gemeint. Merkel wird das nicht schnell vergessen. Die Bundesregierung versucht es nun mit dem Prinzip Hoffnung: Wahlkampf sei eines, Präsidentschaft etwas anderes, heißt es. Trump werde eine andere Tonlage wählen. Persönlich ist die Regierungsspitze ihm noch nicht begegnet.
In der deutschen Politik befürchtet man nun, dass auch hierzulande die Empfänglichkeit für national gefärbten Populismus wächst, etwa durch die AfD. SPD-Chef Gabriel sagte dieser Redaktion: Trump sei „Vorreiter einer neuen autoritären und chauvinistischen Internationalen“und damit „auch eine Warnung an uns“. Die „autoritäre Internationale“wolle „ein echtes Rollback in die alten schlechten Zeiten, in denen Frauen an den Herd oder ins Bett“gehörten.