Thüringische Landeszeitung (Jena)
Entzug der Doktortitel aufgehoben
Universität bedauert geschehenes Unrecht
Im Zeichen des Erinnerns an Verfolgte des Naziregimes stand gestern Abend auch die Aula der Universität. Es war ein später Akt der Wiedergutmachung, der sich da vollzog.
Die Universität hob für 23 Wissenschaftler den in der Nazizeit durch die Universitäts- und Fakultätsleitungen vollzogenen Entzug ihrer Doktorwürde auf und bekräftigte auch bei den bereits 1945 rehabilitierten 22 Personen, dass ihre Titelentzug zu Unrecht geschehen sei.
Uni-Präsident Walter Rosenthal erinnerte bei dem Festakt stellvertretend an den Philosophen Salomon Friedländer und den Juristen Otto Heinrich Griesbach, die lange und verdienstvoll an der Alma Mater Jenensis gewirkt hatten und später ins Exil mussten. Er bedauerte zutiefst, dass die Universität damals NS-Unrecht mit umgesetzt habe. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte gewesen, die auch heute angesichts der Thügida-Aufmärsche gefährdet seien.
Die Aufarbeitung dieses Unrechts erfolgte auf Anregung des früheren Rektors Klaus Dicke. Der Politikwissenschaftler war Mitglied einer von Präsident Rosenthal eingesetzten Kommission, zu der Rosenthal selbst gehörten wie auch der Jurist Achim Seifert, der Zeithistoriker Norbert Frei und der UniArchiv-Leiter Joachim Bauer.
Man habe 61 Aberkennungen der Doktortitel an der Universität nachweisen können, sagt Seifert. Die meisten seien im Bereich der Wirtschaftswissenschaften erfolgt, nämlich 32. Nicht in allen Fällen hätte bisher ermittelt werden können, ob der Entzug der Doktortitel durch NS-Unrecht oder aus anderen Gründen erfolgt sei. Die Aktenlage sei mitunter schwierig. Hier werde weiter geforscht. Unklar sei auch noch der Fall des Schriftstellers Kurt Tucholsky.
Die Depromotionen seien ein kleines Glied in der Kette hin zum Holocaust gewesen, sagte Michael Stolleis in seinem Vortrag zum 9. November 1938.