Thüringische Landeszeitung (Jena)
Eine fette Gans
Luther und die Bundestagswahl
Die Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus: Auf dass der Wähler 2017 nicht vergesse, wer ihm ein wunderbares Reformationsjubiläum beschert hat, bereitet die Bundesregierung zum Martinstag 2016 eine richtig fette Gans zu.
Mehr als doppelt so viel wie angekündigt wiegt der Braten, von dem sich auch Thüringen eine ordentliche Scheibe abschneiden möchte. Fast 12 Millionen statt der angekündigten 5 Millionen Euro, um zu feiern, dass Martin Luther vor 500 Jahren einen gewaltigen Beitrag dazu leistete, Demokratie in die Kirche zu bringen – davon können so einige Projekte gut gestopft und appetitlich angerichtet unters Volk gebracht werden.
Hungern müssen auch andere Kulturschaffende nicht: Dass selbst diejenigen im kommenden Jahr Brust oder Keule bekommen, die sonst nicht einmal die Knochen ablutschen konn ten, ist ein freudiges Ereignis, aber ohne die Bundestagswahl eben auch undenkbar.
Das soll den Einsatz der „Großen Koalition LemmeHirte“in der Parlamentsküche nicht schmälern, auch wenn noch nicht klar ist, welcher Teil der Bundesgans auf den Thüringer Tellern landet.
Dringend etwas auf die Rippen braucht diese Gesellschaft aber in ganz anderen Bereichen. Wer mit Magengrummeln durch die Straßen geht, weil bei der Polizei in Thüringen Schmalhans Küchenmeister ist, dem werden schöne Projekte zum Lutherjubiläum das schale Gefühl der Unsicherheit nicht nehmen.
Da muss die genannte „Große Koalition“dringend noch einmal an den Herd: Damit‘s auch für die Polizei einen fetten Braten gibt. Denn an den Bundestisch darf sich Thüringen nicht allein für die Kultur setzen. Für die innere Sicherheit wird dort auch gedeckt.