Thüringische Landeszeitung (Jena)
Jeder Zehnte in Finanz-Schieflage
Zunehmend geraten auch Rentner in GeldSchwierigkeiten
WEIMAR. Die wirtschaftliche Lage der meisten Deutschen ist besser denn je, die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit über 25 Jahren – und doch steigt die Zahl der Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr begleichen können. Das zeigt der aktuelle Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Demnach ist mehr als jeder zehnte Erwachsene in Deutschland überschuldet – das sind über 6,8 Millionen Menschen im Alter von über 18 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl um 1,9 Prozent gestiegen.
Die Schuldenstatistik ist etwa für Banken oder Onlinehändler interessant. Sie schätzen so die Wahrscheinlichkeit ein, mit der ein Kreditnehmer aus einer bestimmtem Region Deutschlands seine Schulden zurück- oder ein bestelltes Paket bezahlt.
Wie schon in den Jahren zuvor liegt auch 2016 die Überschuldungsquote im Osten (ohne Berlin) mit zehn Prozent über dem Wert in Westen, wo sie 10,4 Prozent beträgt. Die finanzielle Lage der Menschen in Thüringen ist, verglichen mit den Ostländern, am besten. Deutschlandweit liegt es an dritter Stelle. Nur in Bayern und in BadenWürttemberg ist die Schuldenquote niedriger. Mit 14 Prozent ist sie in Bremen am höchsten. Größer als zwischen Ost und West ist der Unterschied innerhalb der Altersklassen. Immer häufiger geraten, der Studie zufolge, ältere Menschen in die Schuldenfalle. Etwa 174 000 Menschen ab 70 Jahre hatten 2016 finanzielle Schwierigkeiten – ein Plus von 16 Prozent. Auch bei den 60- bis 65-Jährigen wachse die Zahl der Menschen mit Schulden schneller als in der Durchschnittsbevölkerung. Die Autoren warnen davor, dass sich der Trend hoher Schulden im Alter weiter fortsetze. Da das Leistungsniveau der Rentenversicherung nicht mehr ausreiche, würden immer mehr Senioren arbeiten – jedoch in schlecht bezahlten Nebenjobs. Im hohen Alter summieren sich die Schulden oft zu einer hohen Last.
Besonders deutlich, mit einem Plus um 5,6 Prozent, hat somit auch die Zahl der Fälle mit sehr hoher Überschuldung zugenommen. Viele Menschen geraten laut den Autoren in eine „dauerhafte Überschuldungsspirale“, das sei „besorgniserregend“. Kurzfristige Schulden, verursacht etwa durch übermäßigen Konsum, seien mittlerweile rückläufig. Mit der guten Wirtschaftslage haben sich auch die Gründe verschoben, weshalb Menschen in finanzielle Not geraten. Vor einigen Jahren waren noch der Jobverlust und eine gescheiterte Selbstständigkeit Hauptgründe für das Minus auf dem Konto. Mittlerweile jedoch seien Erkrankung, Sucht und Unfall die entscheidenden Faktoren.
Das Statistische Bundesamt kommt in einer Analyse zu dem Schluss, dass „in der Regel unplanbare und gravierende Änderungen der Lebensumstände als Hauptauslöser“für Überschuldungsprozesse gelten können.
Angesichts der gestiegenen Fälle mahnen die Autoren eine verantwortungsvolle Kreditvergabe an, und auch die Finanzkompetenz in der Bevölkerung müsse gestärkt werden.
Die Haushaltswissenschaftlerin Cäzilia Loibl geht davon aus, dass bei Überschuldeten schon kleine Maßnahmen große Wirkung zeigen könnten. So etwa regelmäßige Nachrichten der Bank über den Kontostand. Eine britische Studie habe gezeigt, dass durch SMS-Nachrichten der Bank an verschuldete Kunden Dispositionskredite bis zu sechs Prozent reduziert werden konnten – und bis zu 24 Prozent, wenn die Bank auch eine Kontoverwaltungs-App für das Smartphone anbot.