Thüringische Landeszeitung (Jena)

Tötungsver­brechen oder tödlicher Rettungsve­rsuch?

Am Landgerich­t Gera hat ein Totschlags­verfahren gegen einen 23Jährigen begonnen

- VON TINO ZIPPEL

GERA. Auf den ersten Blick scheint der Fall klar: Der Angeklagte ist beobachtet worden, wie er auf seiner Geliebten hockte, sie gewürgt und an der Zunge gezogen hat. Weil die Frau gut einen Monat nach der Tat am 9. März in Greiz gestorben ist, wirft ihm die Staatsanwa­ltschaft Gera Totschlag vor.

Doch beim Prozess vor dem Landgerich­t Gera zeigt sich schnell, dass der Fall nicht so eindeutig ist. Der Angeklagte stammt wie das Opfer aus Eritrea. Im ersten Anlauf steht ein Dolmetsche­r bereit, der aber nicht den richtigen Dialekt beherrscht, um sich mit dem Angeklagte­n auszutausc­hen. Im zweiten Versuch findet sich ein Übersetzer, der auch den 23-Jährigen auf der Anklageban­k versteht.

Und so schildert er seine Erinnerung­en an den Tattag: Er sei mit seiner Freundin zusammenge­wesen, mit der er seit einem halben Jahr eine intime Beziehung hatte. An diesem Abend hätten sie gestritten, weil sie nicht dem Wunsch nachgekomm­en sei, Essen zu kochen.

Plötzlich sei die Frau im Streit umgekippt und habe sich auf die Zunge gebissen. „Ich hatte gewusst, dass sie an einer Krankheit leidet, aber habe zuvor noch keinen Anfall erlebt“, schildert der Angeklagte. Er habe versucht, die Zunge zwischen den Zähnen zu befreien. Sie habe aus der Nase und aus dem Mund geblutet. Schließlic­h habe er den Notruf 112 gewählt.

Eine Augenzeugi­n hatte die Schreie aus dem Zimmer gehört, aber wartete aus Angst zunächst ein paar Minuten ab, bevor sie in den anderen Raum der Wohngemein­schaft gegangen ist. Nach einem dumpfen Geräusch habe sie entschiede­n nachzuscha­uen. Sie berichtet, dass der Angeklagte abwechseln­d mit beiden Händen an den Hals oder mit einer Hand an die Zunge ihrer Freundin gefasst habe. Auf Nachfrage habe er gesagt, dass die junge Frau krank sei. Eine weitere Zeugin sagt, der Angeklagte habe auf ihrer Mitbewohne­rin gesessen. Eine Hand am Hals, die andere an der Zunge. Er habe geweint und immer wieder gesagt: „Warum hast du mich allein gelassen?“

Laut Staatsanwa­lt Jens Wörmann gab es innere Verletzung­en im Halsbereic­h des Opfers, die auf ein Würgen hindeuten. Nach seinen Aussagen gibt es Erkenntnis­se, wonach das Opfer verheirate­t war und nur eine Affäre mit dem Angeklagte­n hatte.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetz­t.

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Der Angeklagte sitzt in Untersuchu­ngshaft. Foto: Tino Zippel

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