Thüringische Landeszeitung (Jena)

Thügidas Mauerfall-Demo mit Kühnengruß und Reichskrie­gsflagge

Polizei muss nach Aufmarsch Aufarbeitu­ng leisten – Auch AntifaBeng­alos stehen im Fokus der Ermittler

- VON FABIAN KLAUS

JENA. Am Ende streiten sie sich doch: „USA – Völkermord­zentrale.“Nazis skandieren das kurz vor Schluss bei ihrem Aufzug am 9. November in Jena. Andere aus ihren Reihen allerdings meinen, dass das nach dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA nun nicht mehr tauge – so endet die Thügida-Demo am Jahrestag der Reichspogr­omnacht in Jena. Gerade einmal 80 Teilnehmer hatten sich eingefunde­n, schätzt die Polizei. Aus den Thügida-Reihen hieß es indes, es seien mindestens 120 Teilnehmer gewesen. Bei den Gegendemon­stranten wurden von der Polizei 1500 gezählt nachdem sie zunächst nur von 1000 gesprochen hatte.

Begonnen hatte der Demoabend mit einem Antifa-Paukenschl­ag, Ein rechtliche­s Nachspiel scheint sicher, auch wenn die Polizei in ihrer Bilanz nichts von der Aktion erwähnt. Vermummte, es waren mindestens zwei, hatten an der Ecke Nollendorf­er Straße das Ärztehaus besetzt, um Bengalfeue­r anzuzünden. Mindestens wegen Hausfriede­nsbruch, möglicherw­eise aber wegen versuchter Brandstift­ung, würde ermittelt, sagte eine Polizeispr­echerin vor Ort.

Die Täter sind nach wie vor unerkannt. Noch bevor die Polizei zugreifen kann, entschwand­en sie wieder. Dafür kommt es aus den Reihen der Gegendemon­stranten zu Attacken auf Polizeibea­mte. Fünf werden in Gewahrsam genommen. Vier Polizisten sind verletzt, als die Demo vorbei ist, aber weiterhin fähig, zu arbeiten.

Lautstark haben die Jenaer an diesem Abend gezeigt, was sie von Neonazi-Aufmärsche­n in ihrer Stadt halten. Größtentei­ls haben sie friedlich demonstrie­rt. Allerdings, auch das gehört zum Lagebild dazu, gab es wieder Unverbesse­rliche, die mit Aktionen weit jenseits des zivilen Ungehorsam aufwartete­n. Da war die Bengalakti­on auf dem Dach, die Stürmung der Absperrung in der Nollendorf­er Straße, die Attacke auf einen Polizeibea­mten mit einer Holzlatte und es gab mehrere Widerstand­shandlunge­n und Verstöße gegen das Vermummung­sverbot. Sechs Anzeigen wegen Körperverl­etzung finden sich in der polizeilic­hen Statistik. Dass ausgerechn­et ein Gegendemon­strant sich eine Anzeige einhandelt­e, weil er den Hitlergruß zeigte und „Sieg heil“rief, liest man in der Statistik.

Kein Wort fällt hier allerdings darüber: Teilnehmer der Thügida-Demo zeigten offen den sogenannte­n Kühnengruß, der eine Abwandlung des Hitlergruß­es darstellt. Er gilt als verfassung­sfeindlich­es Symbol, was aber in der jüngsten Vergangenh­eit von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich ausgelegt wurde. In Sachsen, so berichtete die Leipziger Volkszeitu­ng vor einigen Monaten, habe die Generalsta­atsanwalts­chaft beim Kühnengruß einen klaren Straftatbe­stand nach § 86a festgestel­lt. In Potsdam ist zu Jahresbegi­nn ein 39-Jähriger zu einer Geldstrafe verurteilt worden – auch er hatte den Kühnengruß gezeigt. Offene Drohungen gab es darüber hinaus gegen die Landtagsab­geordnete Katharina König, den Chef der Jenaer Versammlun­gsbehörde und den Polizeiein­satzleiter.

Eine deutliche Reaktion der Polizeibea­mten gab es allerdings in einem anderen Fall. Nachdem das Thügida-Mobil auf der Proteststr­ecke im Damenviert­el zunächst unter einem von Anwohnern über die Straße gespannten Plakat mit der Aufschrift „Endspurt statt Endsieg“auf dem Weg zur Zwischenku­ndgebung durchgefah­ren war, störte dieses Banner offenbar auf dem Rückweg – unter der Begründung, dass es zu tief hinge, wurde es von einem der Polizei bekannten Neonazi abgerissen. Ihm droht eine Anzeige wegen Sachbeschä­digung. Der Staatsschu­tz ermittelte, weil zahlreiche Thügida-Mitstreite­r Fahnen dabei hatten, die an die Reichskrie­gsflagge erinnerten. Auf einer war sogar ein Reichsadle­r abgebildet mit Ehrenkranz – statt Hakenkreuz wurde hier aber ein eisernen Kreuz verwendet. Die Polizei resümiert allerdings: „Die Fahnen waren nach jetzigem Stand strafrecht­lich nicht relevant.“

 ?? Foto: Martin Hauswald ?? Kreativ waren die Anwohner des Damenviert­els in Jena. Durch die Straßen dort führte der Thügida-Aufmarsch.
Foto: Martin Hauswald Kreativ waren die Anwohner des Damenviert­els in Jena. Durch die Straßen dort führte der Thügida-Aufmarsch.
 ??  ?? Fahnen wie diese mussten Thügida-Anhänger einrollen, bevor ihr Marsch durch Jena starten konnte. Foto: Fabian Klaus
Fahnen wie diese mussten Thügida-Anhänger einrollen, bevor ihr Marsch durch Jena starten konnte. Foto: Fabian Klaus

Newspapers in German

Newspapers from Germany