Thüringische Landeszeitung (Jena)
Nur wer sich dem Dialog stellt, wirkt dem Frust entgegen
Die wichtigsten Lehren aus der Wahl Donald Trumps und zentrale Forderungen an die Etablierten in Europa
Carsten Diekmann aus IlmtalWeinstraße schreibt zur USWahl:
Die USA hatten bereits viele Präsidenten, deren Werdegang für europäische, namentlich deutsche Verhältnisse eher ungewöhnlich war. Aber: Das Erstaunen über die Wahl von Donald Trump ist ein Ausweis für viele Fehlverhältnisse und Fehlwahrnehmungen auf europäischer Seite und keineswegs sind diese Fehllagen nun solche, die allein transatlantisch wären. Drei Gedanken: Erstens: Trump ist die Wahl des eher wenig bis gar nicht gebildeten Publikums in den USA. Die – wohl – meisten Angehörigen der Mittelschicht in den USA gehören dazu. Und, ja, aus Sicht des eher gebildeten oder sich so wähnenden Europäers sind diese Leute, die in Trump „einen der ihren“gewählt haben, Tölpel und zwar solche, die man so auch abkanzeln kann.
Die Einordnung als Tölpel, andere nehmen das Wort „Pack“dafür, mag ja noch durchgehen. Was aber nicht geht, was noch viel „tölpelhafter“, dümmer und letzten Endes hochgefährlich ist, ist die voluntative Sprachlosigkeit zwischen jenen, die etabliert sind und jenen, die diese Etablierten eben als Tölpel, Pack oder ähnliches wahrnehmen. Genau deshalb wird sich jene große und deshalb durchsetzungsstarke Gruppe der europäischen, namentlich der bundesdeutschen Bevölkerung bald Bahn brechen und mittels der von ihr bevorzugten politischen Vertretung, sei es der Front National, die AfD oder eine andere politische Kraft ähnlicher Sorte, auch in europäischen Landen in bedeutendem Maße Macht übernehmen.
Es muss endlich vonseiten der Etablierten, das heißt jener, die gesellschaftlich und jener, die politisch Macht innehaben, das Gespräch aufgenommen werden, zur Integration dieses deviatorischen Publikums, zum Klarstellen der Positionen, zur Verdeutlichung dessen, was sich nun wirklich nicht vertreten lässt, weil es die Realitäten verkennt oder, schlimmer noch, die Würde des Menschen an sich. Dabei geht es um das Abgrenzen von Positionen, nicht um deren Ausgrenzung. Es geht um Wettstreit – und damit darum, dass sich jenes Niveau durchsetzt, das namentlich niemals von der ehernen Gewissheit abweicht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Nur wer sich dem Dialog stellt, dem Streit, unter Umständen auch lauthals herausgebrüllter Frustration, wird dieser entgegenwirken können. Wer sich den „Tölpeln“verweigert, wird selbst zu tölpelhaftem Pack.
Zweitens: Es ist gut, dass Ceta abgeschlossen wurde. Nein, nicht einzelner Inhalte wegen, die durchaus weiter diskutiert werden müssen und die weiterhin dem Abkommen, allen Abkommen dieser Art, den Makel anhaften lassen, sie seien von den Interessen global agierender Konzerne diktiert. Wichtig ist der Bestand von Ceta, weil TTip nun endgültig tot ist. Ceta ist die einzige Brücke zwischen der EU und der anderen Seite des Atlantiks und wird dazu beitragen, dass transatlantischer Austausch weiter möglich bleibt.
Drittens: Die Wahl von Trump und seine allgemein abgrenzenden Positionen müssen die EU und vorneweg Deutschland endlich dazu bringen, eigenständig Politik zu betreiben, eigenständig auch und vor allem insoweit, als man sich um ein stabiles, im Idealfall gefestigt vertrauensvolles Verhältnis zu Russland bemüht.
Freilich: Dasselbe ist Russland zu sagen. Und Putin hat nun allen Anlass, sich in diesem Sinne um die EU zu bemühen. Denn er und Trump sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Das könnte zu einer ganz neuartigen Atlantikbrücke führen, einer, die über das westliche Europa hinweg führt. Oder, was eher zu vermuten ist, dazu, dass sich beide in der Manier von Kampfhähnen gegenüberstehen, mit Sicherheitsabstand. Diesen Abstand stellt, geografisch, das westliche Europa dar, weshalb es aber nicht nur in bedrängter Position ist, sondern ebenso in der idealen Position, diesen Raum auch politisch auszufüllen und ihn dabei so zu verdichten, dass an ihm nicht mehr vorbeigekommen werden kann.
Ceta ist einzige Brücke über den Atlantik