Thüringische Landeszeitung (Jena)
Der Sonnenkönig und die Finsternis
SolarworldChef Frank Asbeck ist in Nöten – Der größte deutsche FotovoltaikHersteller verbrennt Kapital
ARNSTADT. „Ein grimmiger Prediger des Verzichts“sei er nicht, sagte der lebensfrohe Frank Asbeck einmal. Seinen Investoren muss der Solarworld-Chef an diesem Mittwoch aber einen Verlust erklären. Seine Firma war einst Star der deutschen Sonnenenergie-Branche, Hoffnungsträger der Energiewende. Noch immer ist Solarworld der größte Produzent von Fotovoltaikzellen und Solarmodulen in Deutschland – doch jetzt ziehen finstere Wolken auf. Die Firma wird zum Sorgenkind.
Am vorvergangenen Dienstag informierte das Unternehmen über einen „Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals“. Bei der Muttergesellschaft Solarworld AG verringerte sich das Eigenkapital 2016 um mehr als 28 Millionen Euro auf 2,6 Millionen Euro, wie die Firma in einer Sofortmeldung für die Börse mitteilte. Die roten Zahlen resultierten im Jahr 2016 aus „Rückstellungen, Wertberichtigungen“und Kosten für die Umstrukturierung der Produktion.
Zellproduktion wird in Arnstadt konzentriert
Trotzdem bräuchten sie sich keine grundsätzlichen Sorgen zu machen, wird Asbeck seinen Miteigentümern anlässlich der Bilanz-Präsentation am Mittwoch wohl versichern. Schließlich belief sich das Eigenkapital für den Gesamtkonzern inklusive aller Einzelgesellschaften zum Jahresende 2016 noch auf 120,5 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote liege bei 18 Prozent.
Asbeck macht chinesische Exporte zu „Dumpingpreisen“für die Misere verantwortlich. Dortige Hersteller würden ihre Zellen und Module unter Herstellungskosten auf dem Weltmarkt verkaufen und die Preise drücken. Das führte bei Solarworld zu einem Verlust von 99 Millionen Euro (Ebit) im operativen Geschäft für das vergangene Jahr (Umsatz 803 Millionen). Nun reagiert das Unternehmen: 400 von 3300 Arbeitsplätzen sollen einspart werden. Künftig sollen im sächsischen Freiberg keine Solarzellen, sondern nur Module gefertigt werden. Die Zellproduktion will man dagegen in Arnstadt konzentrieren, wo es dann keine Modulherstellung mehr geben soll. Außerdem plant Asbeck, sich auf monokristalline Fotovoltaikzellen zu spezialisieren, die mehr Energie erlösen. Mit diesen „Hochleistungsprodukten“will er bis 2019 in die Gewinnzone kommen.
Außerdem betreibt Solarworld ein Produktionswerk in Hillsboro im US-Bundesstaat Oregon. Seit der Gründung 1998 und dem Börsengang 1999 stand Solarworld dafür, dass die deutsche Energiewende auch für die Anlagen-Produzenten eine ökonomische Erfolgsstory sein konnte. Asbeck zeigte das auf seine Weise: Der exzentrische Unternehmer lebt in einer Villa in Godesberg, kaufte das Schloss Marienfels am Rhein von Entertainer Thomas Gottschalk und stellte seinen Maserati angeblich öfter im Parkverbot vor der Bonner Oper ab. Dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das durch hohe Festpreise für Solarstrom einen Nachfrageboom auslöste, wuchs das Unternehmen rapide. 2006 kaufte er die Solarsparte des Ölkonzerns Shell, 2007 erwarb er von der japanischen Komatsu-Gruppe das Werk in Hillsboro. Schließlich verleibte Solarworld sich die Solarfiliale von Bosch samt der Fabrik in Arnstadt ein. Zwischendurch bot Asbeck dem US-Konzern General Motors an, dessen defizitäre Tochter Opel mit über 30 000 Beschäftigten zu übernehmen, um aus ihr den ersten „grünen“Automobilbauer zu machen. GM lehnte ab. Hat Asbeck sein Blatt überreizt?
2012 war die Glückssträhne jedenfalls zu Ende. Unter dem Strich stand ein Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro. Neben dem rapiden Wachstum machten sich vor allem zwei Ursachen bemerkbar: Erstens kürzte die Bundesregierung die Einspeisevergütung für erneuerbare Energien, weil die steigenden Kosten zu politischen Konflikten führten. Zweitens stiegen chinesische Firmen in den Weltmarkt ein. Sie sorgten dafür, dass die Preise für PVZellen und Module massiv zurückgingen. Solarworld stand nun kurz vor dem Aus. Nur mit einem Schulden- und Kapitalschnitt überlebte die Firma.
Letzte Hoffnung: Der wachsende Weltmarkt
Diese Entwicklung traf in den vergangenen Jahren aber nicht nur Solarworld. Solon in Berlin musste aufgeben, Q-Cells in Bitterfeld ebenso. Auch die US-Firma First Solar hat ihre Zellfertigung in Frankfurt an der Oder eingestellt. Übrig blieben einige Modulhersteller. Ab 2010 ging etwa ein Drittel der Arbeitsplätze der deutschen Solarindustrie verloren. 2014 gab der Bundesverband Solarwirtschaft noch 60 000 Vollzeitstellen an.
Solarworld-Chef Asbeck hofft auf das Wachstum des Weltmarktes. Wenn die Aktionäre und Geldgeber durchhalten, könnte Solarworld neben der chinesischen Konkurrenz bestehen. Dafür muss aber noch ein dicker Brocken aus dem Weg geräumt werden. Ein USGericht verurteilte Solarworld 2016 zur Zahlung von rund 700 Millionen Euro Schadenersatz. Geklagt hatte der US-Siliziumlieferant Hemlock, weil Solarworld angeblich den Abnahmevertrag für den Zellenrohstoff Silizium nicht eingehalten habe. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Für Solarworld geht es nun um alles.