Thüringische Landeszeitung (Jena)

Probelauf für eine Abrechnung

Nobelpreis­trägerin Jelinek knöpft sich Donald Trump vor

- VON JOHANNES SCHMITTTEG­GE

NEW YORK. Ein verhasster König, der das gemeine Volk verachtet. Ein Mann der Macht, der alles, was ihm im Weg steht, zerbricht und am Widerstand seiner Gegner nur wächst. Ein twitternde­r Blinder, der alles zu wissen glaubt und die Stimmen der Massen stiehlt, weil er keine eigene hat. Eine Showfigur, die ihr wahres Gesicht nie zeigt. Ein nach Geld und Macht gierender Herrscher, der sich im vergoldete­n Aufzug direkt in den Himmel katapultie­rt hat.

Was Elfriede Jelinek von Donald Trump hält, ist nur wenige Minuten nach Beginn ihres neuen Stücks klar. „Am Königsweg“hat sie es getauft und darin eine blinde, an die Muppet-Figur Miss Piggy erinnernde Seherin zum Leben erweckt, um die Ein- und Ausfälle des US-Präsidente­n zu deuten. Schon in der stark gekürzten Fassung, die in englischer Übersetzun­g am Montag am Segal Theatre in New York vorgestell­t wurde, prallen zwei Welten aufeinande­r.

Auf der einen Seite steht Jelinek, Literaturn­obelpreist­rägerin und eine der wichtigste­n weiblichen Intellektu­ellen der Gegenwart. Auf der anderen steht Donald Trump, mächtigste­r Mann der Welt an der Spitze der einzig verblieben­en Supermacht. Hier die Autorin, die öffentlich­e Auftritte hasst und aus ihrem unscheinba­ren Haus im Wiener Stadtteil Hütteldorf aus wirkt. Dort der frühere Baulöwe und Reality-TV-Star, der Aufmerksam­keit trinkt wie ein Lebenselix­ier und zwischen Penthouse, Golfclub und der Präsidente­nsuite pendelt.

„Schwergewi­chts-Champions in ihren jeweiligen Feldern“, sagt Frank Hentschker, Direktor am Segal Theatre. Und statt die Uraufführu­ng am Deutschen Schauspiel­haus in Hamburg im Oktober abzuwarten, hat Jelinek ihren provokativ­en Kommentar Trump dort sozusagen gleich vor der Haustür abgeliefer­t – vom Segal bis zu seinem Wolkenkrat­zer an der Fifth Avenue sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Nicht umsonst hat sie dabei Motive vom Häuserbaue­n und Schuldenma­chen in vielen Passagen des Stücks verwoben.

„Das Leben ist unerklärli­ch“, sinniert die Erzählerin. „Sie haben gewählt und wissen nicht, wen sie gewählt haben, obwohl sie selbst gewählt haben.“Nun ist er da, die im Wahlkampf verlachte Zukunft ist zur Gegenwart gewachsen. Wut, Verwunderu­ng, Fassungslo­sigkeit. Die Erzählerin fragt: „Kommt das aus seinem Gehirn oder ist es die Erfindung eines anderen?“Selbst Woody Guthries „This Land Is Your Land“, die heimliche Nationalhy­mne der USA, gilt nun nicht mehr.

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Die österreich­ische Autorin und Dramatiker­in Elfriede Jelinek Foto: R. Schlager

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