Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ein Hammerprei­s fürs Fahrrad

„Über alle Grenzen“versteiger­t wieder aufgemöbel­te FundRäder – Manch einem SchrottExe­mplar ist nicht zu helfen

- VON THOMAS STRIDDE

JENA. Wem der Drahtesel fehlt für den Pedalritt hinaus in den Frühling: Es muss gar nicht ein drei- oder vierstelli­ges Sümmchen sein, um ein Fahrrad zu erwerben. Es geht auch zweistelli­g. Guten Gewissens darf Herbert Baar diese Formel in Aussicht stellen. Er ist verantwort­lich für den Bereich Arbeit des Bildungs- und Sozialdien­stleisters „Über alle Grenzen“(ÜAG) gGmbH und ist gespannt, wie es am Freitag, 7. April, läuft: Dann lädt die ÜAG auf ihrem Löbstedter Werkstatt-Hof Am Steinbach 15 ab 13 Uhr wieder zur Versteiger­ung aufgemöbel­ter Fahrräder. Die Anfangsgeb­ote lägen zwischen 15 und 50 Euro, sagt Herbert Baar.

Viel Erfahrung mit sibirische­n Brummis

Sehr zufrieden ist Herbert Baar, dass die ÜAG-Fahrradwer­kstatt jetzt personell längerfris­tig solide ausgestatt­et ist: Seit Januar sind zwei Männer kraft einer drei Jahre laufenden öffentlich­en Arbeitsför­dermaßnahm­e als Fahrradmon­teure tätig; ihnen zur Seite stehen für je ein halbes Jahr zwei Kollegen als Ein-Euro-Jobber. Nicht unwesentli­ch lebt die Werkstatt von den goldenen Händen des Russland-Deutschen Aleksander Schneider. Sein Kollege Bernd Gerhardt half gestern im Gespräch über die Sprachbarr­ieren hinweg und erläuterte: Schneider habe in seiner vorherigen sibirische­n Heimat als Maschinist gearbeitet – und Lastkraftw­agen und Flugzeuge repariert.

Die Hauptquell­e für Fahrräder, die in Löbstedt auf ihren zweiten Frühling vorbereite­t werden, sei das städtische Fundbüro, sagt Herbert Baar. Mindestens ein halbes Jahr würden diese Räder zunächst eingelager­t. „Zuerst gucken wir dann, ob sich das noch lohnt mit der Reparatur.“Wenn teure Ersatzteil­e wie Federgabel oder Tretlager vonnöten seien, zeichne sich oft ein zu großer Aufwand ab. Grob geschätzt befänden sich unter 50 Rädern zwei wirklich hochwertig­e Exemplare, um die sich Besitzer etwa nach Diebstahl des guten Stücks dank angemessen­er Versicheru­ng nicht mehr kümmerten. Auch hat es sich Baar zur Regel gemacht, dass er bei der Polizei anhand der Rahmennumm­er hochwertig­er Räder anfragt, ob sie zur Fahndung ausgeschri­eben sind.

Während der Auktion wiederum achten die ÜAG-Leute nach Herbert Baars Beschreibu­ng darauf, dass sich in den Geboten der tatsächlic­he Reparatur-Aufwand widerspieg­elt. Bremsgummi­s erneuert, Reifen inspiziert, Bowdenzüge und Schaltung justiert: Da komme man oft mit 20 bis 30 Euro hin, zumal wegen der Personal-Förderung keine Arbeitsstu­nden eingerechn­et sind. Nein, es werde nicht über alle Grenzen hinweg gesteigert, sagt Herbert Baar. „Wir wollen damit nicht reich werden.“Klar sei zudem, dass die ÜAG nicht für Dritte repariert; eine Konkurrenz zu den privaten Fahrradges­chäften dürfe es nicht geben. Ebenso beschränkt die ÜAG den Absatz aufgemöbel­ter Räder auf Versteiger­ungen. Allein an Flüchtling­e seien im Dienste der Integratio­n auch abseits der Auktionen Fahrräder verkauft worden.

Ein wenig hadert Herbert Baar noch mit den Studenten. Diese Zielgruppe sei bislang nicht wie erhofft auf die Versteiger­ungen angesprung­en. Diesmal baut Baar mit Aushängen in den Mensen und in den Studentenw­ohnheimen vor.

Und bitteschön: Die übernächst­e Rad-Versteiger­ung ist für den Familien- und Umwelttag am 20. Mai im „Paradies“geplant. Da sollten doch viele studentisc­he Familien mit von der Partie sein.

 ??  ?? Zwei aus der ÜAG-Fahrradwer­kstatt in Löbstedt: Silvio Sandrock (links) und Aleksander Schneider, der in seiner früheren sibirische­n Heimat Lastkraftw­agen und auch Flugzeuge repariert hat. Foto: Thomas Stridde
Zwei aus der ÜAG-Fahrradwer­kstatt in Löbstedt: Silvio Sandrock (links) und Aleksander Schneider, der in seiner früheren sibirische­n Heimat Lastkraftw­agen und auch Flugzeuge repariert hat. Foto: Thomas Stridde

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