Thüringische Landeszeitung (Jena)
Ein Hammerpreis fürs Fahrrad
„Über alle Grenzen“versteigert wieder aufgemöbelte FundRäder – Manch einem SchrottExemplar ist nicht zu helfen
JENA. Wem der Drahtesel fehlt für den Pedalritt hinaus in den Frühling: Es muss gar nicht ein drei- oder vierstelliges Sümmchen sein, um ein Fahrrad zu erwerben. Es geht auch zweistellig. Guten Gewissens darf Herbert Baar diese Formel in Aussicht stellen. Er ist verantwortlich für den Bereich Arbeit des Bildungs- und Sozialdienstleisters „Über alle Grenzen“(ÜAG) gGmbH und ist gespannt, wie es am Freitag, 7. April, läuft: Dann lädt die ÜAG auf ihrem Löbstedter Werkstatt-Hof Am Steinbach 15 ab 13 Uhr wieder zur Versteigerung aufgemöbelter Fahrräder. Die Anfangsgebote lägen zwischen 15 und 50 Euro, sagt Herbert Baar.
Viel Erfahrung mit sibirischen Brummis
Sehr zufrieden ist Herbert Baar, dass die ÜAG-Fahrradwerkstatt jetzt personell längerfristig solide ausgestattet ist: Seit Januar sind zwei Männer kraft einer drei Jahre laufenden öffentlichen Arbeitsfördermaßnahme als Fahrradmonteure tätig; ihnen zur Seite stehen für je ein halbes Jahr zwei Kollegen als Ein-Euro-Jobber. Nicht unwesentlich lebt die Werkstatt von den goldenen Händen des Russland-Deutschen Aleksander Schneider. Sein Kollege Bernd Gerhardt half gestern im Gespräch über die Sprachbarrieren hinweg und erläuterte: Schneider habe in seiner vorherigen sibirischen Heimat als Maschinist gearbeitet – und Lastkraftwagen und Flugzeuge repariert.
Die Hauptquelle für Fahrräder, die in Löbstedt auf ihren zweiten Frühling vorbereitet werden, sei das städtische Fundbüro, sagt Herbert Baar. Mindestens ein halbes Jahr würden diese Räder zunächst eingelagert. „Zuerst gucken wir dann, ob sich das noch lohnt mit der Reparatur.“Wenn teure Ersatzteile wie Federgabel oder Tretlager vonnöten seien, zeichne sich oft ein zu großer Aufwand ab. Grob geschätzt befänden sich unter 50 Rädern zwei wirklich hochwertige Exemplare, um die sich Besitzer etwa nach Diebstahl des guten Stücks dank angemessener Versicherung nicht mehr kümmerten. Auch hat es sich Baar zur Regel gemacht, dass er bei der Polizei anhand der Rahmennummer hochwertiger Räder anfragt, ob sie zur Fahndung ausgeschrieben sind.
Während der Auktion wiederum achten die ÜAG-Leute nach Herbert Baars Beschreibung darauf, dass sich in den Geboten der tatsächliche Reparatur-Aufwand widerspiegelt. Bremsgummis erneuert, Reifen inspiziert, Bowdenzüge und Schaltung justiert: Da komme man oft mit 20 bis 30 Euro hin, zumal wegen der Personal-Förderung keine Arbeitsstunden eingerechnet sind. Nein, es werde nicht über alle Grenzen hinweg gesteigert, sagt Herbert Baar. „Wir wollen damit nicht reich werden.“Klar sei zudem, dass die ÜAG nicht für Dritte repariert; eine Konkurrenz zu den privaten Fahrradgeschäften dürfe es nicht geben. Ebenso beschränkt die ÜAG den Absatz aufgemöbelter Räder auf Versteigerungen. Allein an Flüchtlinge seien im Dienste der Integration auch abseits der Auktionen Fahrräder verkauft worden.
Ein wenig hadert Herbert Baar noch mit den Studenten. Diese Zielgruppe sei bislang nicht wie erhofft auf die Versteigerungen angesprungen. Diesmal baut Baar mit Aushängen in den Mensen und in den Studentenwohnheimen vor.
Und bitteschön: Die übernächste Rad-Versteigerung ist für den Familien- und Umwelttag am 20. Mai im „Paradies“geplant. Da sollten doch viele studentische Familien mit von der Partie sein.