Thüringische Landeszeitung (Jena)

Weshalb ein Grundrecht zunächst 1000 Euro kosten sollte

Der Kommunalse­rvice Jena schickt einem Mann eine Rechnung, der eine Spontandem­onstration anmeldete

- VON THORSTEN BÜKER

JENA. Demokratie kostet. Manchmal 1000 Euro. Die stellte der Kommunalse­rvice Jena zunächst einem Mann in Rechnung, der im vergangene­n Jahr eine Spontandem­onstration anmeldete. Auch sie steht unter dem Schutz des Artikels 8 des Grundgeset­zes: Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Es war der 17. Oktober des vergangene­n Jahres, als eine Gruppe von Frauen und Männern das leer stehende Gebäude in der Carl-Zeiß-Straße 10 besetzte. Über 100 Unterstütz­er versammelt­en sich vor dem Haus, auch eine Spontandem­onstration wurde angemeldet. Um die Straße für den Verkehr frei zu halten, trennten die Mitarbeite­r vom Kommunalse­rvice Jena die Aktivisten mit Warnbaken vom restlichen Teil der Fahrbahn ab.

Die Stadt bestätigte auf Anfrage unserer Zeitung, dass dem Anmelder eine Rechnung zugestellt worden sei: 885,10 Euro inklusive Mehrwertst­euer 1053,01 Euro für Monteurstu­nden, Einsatz des Werkstattw­agens und Ersatz von vier beschädigt­en Absperrzäu­nen. Diese seien als Barrikade missbrauch­t worden, erklärte Stadtsprec­her Kristian Philler. Da zu dem Zeitpunkt die Carl-Zeiss-Straße eine Umleitungs­strecke für den wegen einer Baustelle gesperrten Leutragrab­en war, sei durch den Fachdienst Kommunale Ordnung mit dem Anmelder vereinbart worden, die Straße nur noch halbseitig zu nutzen. Und nach Absprache mit der Polizei habe der Fachdienst Kommunale Ordnung den Kommunalse­rvice beauftragt, Absperrung­en aufzustell­en, um den Versammlun­gsraum vom Verkehrsra­um abzugrenze­n und dadurch die Kundgebung­steilnehme­r zu schützen.

Wie kann es sein, dass ein Mensch, der sein Grundrecht auf freie Versammlun­g ausübt, von einem städtische­n Abfallents­orgungsunt­ernehmen für Anordnunge­n einer Versammlun­gsbehörde zur Kasse gebeten wird? „Die Maßnahme mit der Absperrung wurde nur zum Schutz der Versammlun­g angeordnet und wurde daher auch dem Anmelder in Rechnung gestellt“, erklärte der Pressespre­cher.

Der Anmelder hat aber der Forderung widersproc­hen. Der Kommunalse­rvice gab dem Widerspruc­h statt und der Fachdienst Kommunale Ordnung – also letztendli­ch der Steuerzahl­er – übernimmt jetzt die Kosten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany