Thüringische Landeszeitung (Jena)

Jutesäckch­en und Zahnputzta­bletten

„Jeninchen“soll im Sommer erster Unverpackt­Laden in Jena werden – Standort noch nicht gefunden

- VON JEROME BUSCH

JENA. „Das war absoluter Wahnsinn. Ich war total überwältig­t, ich glaube, man konnte mich in den ersten drei bis vier Tagen kaum ansprechen.“Wenn Kati Fröhlich heute über das Erreichen des Spendenzie­ls für ihren Jenaer Unverpackt-Laden spricht, ist sie immer noch ergriffen. Für Fröhlichs Geschäft „Jeninchen“hatten über 400 Spender aus aller Welt 20 200 Euro über eine Crowdfundi­ng-Plattform gespendet – weit mehr als sich die Jenaerin erhofft hatte. „Jena möchte diesen Laden“, sagt Fröhlich.

Kurzer Rückblick: Vor zwei Jahren war Katrin Fröhlich noch Abteilungs­leiterin einer Analytikfi­rma und hatte gute Jobaussich­ten. Trotzdem war sie unzufriede­n. Denn die Jenaerin ist auch passionier­te Taucherin, war oft auf Borneo und arbeitete bei Forschungs­projekten auf der Pazifikins­el mit.

Dort räumte sie täglich Dutzende Säcke Plastikmül­l von den Stränden, fand Meeresbewo­hner, die am Plastik verendet waren. „Man sieht sowas oft im Fernsehen und vergisst‘s wieder“, sagt Fröhlich. Sie entschied aber, etwas zu ändern. Der Schritt, einen Unverpackt-Laden in Jena zu eröffnen, war dabei nicht leicht: Trotz großer Unterstütz­ung agiert Fröhlich alleine, und den Aufwand beim Aufbau des Ladens habe die Jenaerin anfangs unterschät­zt: Seit Sommer 2016 arbeitet Fröhlich an der Umsetzung ihrer Geschäftsi­dee.

Das Prinzip hinter dem verpackung­sfreien Laden: Im Geschäft sollen Produkte entgegen dem üblichen Standard in Supermärkt­en ohne Verpackung angeboten werden. Damit wollen die Besitzer der bundesweit 38 Läden den Verpackung­smüll begrenzen und gegen die Wegwerf-Mentalität vorgehen. Denn jeder Kunde kann sich so viel abfüllen und mitnehmen, wie er braucht – so wird Schokolade stückweise abgebroche­n und Klopapier meterweise verkauft. Eingekauft wird mit Gläsern oder Beuteln, die man an Lebensmitt­elspendern, sogenannte­n Bulk Bins, auffüllen kann. Auch im „Jeninchen“sollen Kunden mit Gläsern und Jutesäckch­en ihre Einkäufe erledigen. Es geht auch ohne Verpackung: ein Jutesäckch­en.

Mit Waagen wird schließlic­h der genaue Preis für die Waren ausgerechn­et.

Bei der Auswahl der Produkte achtet Fröhlich vor allem auf Nachhaltig­keit und darauf, dass die Waren regional angebaut werden. „Der Preis steht dann relativ weit hinten an“, sagt Fröhlich. Zu teuer wolle die Jenaerin die Produkte nicht machen. Trotzdem: „Das sind hochwertig­e Produkte, das ist dann natürlich teurer als beim Discounter.“Die ProduktPal­ette des modernen Tante-Emma-Ladens soll nach Vorstellun­gen von Fröhlich von Gewürzen bis Waschmitte­l reichen. Auf Fleisch-und Wurstwaren müssten Kunden allerdings verzichten, zu groß sei der Aufwand.

Dass das Angebot trotzdem nicht an die Vielfalt von Supermärkt­en heranreich­en wird, weiß Kati Fröhlich. Ihrer Ansicht nach brauchen Kunden dieses große Angebot aber gar nicht. Vielmehr solle in ihrem Laden eine Entschleun­igung beim Kauf angeregt werden, Kunden sollen bewusster einkaufen. Einige der Produkte aus Fröhlichs Sortiment sind dabei etwas exotisch: So bietet die Jenaerin beispielsw­eise Bienenwach­stücher als Ersatz für Alufolie an, Zahnputzta­bletten sollen das Pflegeprod­ukt aus der Tube ersetzen. Das sei für viele zwar ungewohnt, Fröhlich aber möchte in ihrem Laden Aufklärung­sarbeit leisten. „Reden, reden, reden“sei die Devise.

Trotz großzügige­n Unterstütz­ung im Internet: Eine Ladenfläch­e für ihr „Jeninchen“hat Kati Fröhlich noch nicht. Das richtige Objekt sei noch nicht dabei gewesen. Innenstadt­lage und eine Verkaufsfl­äche von 80 Quadratmet­ern – für die Traumvorst­ellung von Fröhlichs Laden gebe es wenig Angebote. Die Jenaerin bleibt aber optimistis­ch: Sie habe weiterhin Geschäfte im Blick, bis Juni soll die Standortfr­age möglichst geklärt sein. Dann hofft Kati Fröhlich darauf, endlich Kunden in ihrem verpackung­slosen Paradies begrüßen zu können. der

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Kati Fröhlich mit einem „Bulk Bin“, einem der Lebensmitt­elspender für den Jeninchen-Laden. Für ihre Geschäftsi­dee spendeten Gönner über   Euro. Foto: Jerome Busch
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