Thüringische Landeszeitung (Jena)
Koalition will vier Spuren am Eisenbahndamm
Ausbau der Angerkreuzung im letzten Moment auf Eis gelegt – Politik will OsttangentenAusbau als große Lösung vorziehen
JENA. Jenas schwarz-rot-grüne Regierungskoalition will am verkehrspolitisch größeren Rad drehen – und verhindert deshalb die kürzerfristige Inbetriebnahme eines Rädchens im Getriebe. Das bekundeten gestern im Redaktionsgespräch Guntram Wothly (CDU), Christian Gerlitz (SPD) und Heiko Knopf (Bündnisgrüne).
Auf eine knappe Formel gebracht: Die in diesem Jahr schon fest eingeplante Teilerweiterung der Angerkreuzung mit separater Rechtsabbiegespur gen Wiesenstraße wird ad acta gelegt, und stattdessen wird sofort planerisch Kurs genommen auf den vierspurigen Ausbau der „Osttangente“zwischen der Kreuzung Fischergasse und dem Anger. Das erste Signal dazu hatte Christian Gerlitz am Mittwoch gesetzt: Er initiierte im Werkausschuss des Kommunalservice KSJ die Ausbremsung der Leistungsvergabe für den Ausbau der Angerkreuzung. Wohl eher noch eine Bekräftigung dieser Marschroute war nach Darstellung der drei Politiker am Donnerstag eine Sondersitzung des Stadtentwicklungsausschusses zum Jenaer „Mobilitätskonzept“. Knackpunkt hier: eine von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebene Studie, die der Stadt zwar zunächst eine Vermehrung des Verkehrs, aber für die Jahre 2037, 2038 die Überschreitung einer Entwicklungsspitze weissagt. „Das trägt aber nicht dem Wachstumspotenzial der Stadt Rechnung, meinen wir“, sagte Guntram Wothly. „Entgegen der Studie wird Jena auch noch in 20 Jahren wachsen.“
Indessen sei doch der jetzige Status quo schon ausgesprochen unbefriedigend, merkte Christian Gerlitz an. Und deswegen möge auch die Initiative nicht missverstanden werden. – „Von wegen, wir kippen etwas, was der Verkehrsentwicklung gut getan hätte. Nein, wir haben genau das entgegengesetzte Ziel“, möge es wegen dieses Kurswechsels auch „kurzzeitig echte Verwerfungen“zwischen Politik und Verwaltung gegeben haben.
Hätte die Stadt die Angerkreuzung mit der neuen Rechtsabbiegespur nämlich ausbauen lassen, wäre für einen späteren angemessen vierspurigen Ausbau der Osttangente vieles, wenn nicht alles verbaut gewesen, so legten die Koalitionäre dar: Nicht nur, dass dann jegliche Randbebauung an der Angerkreuzung noch einmal erneuert werden müsste, auch würde dann womöglich eine Rückzahlung der Fördermittel fällig, die für den jetzt ausgebremsten Kreuzungsausbau geflossen wären, erläuterte Gerlitz. Indessen sei für den Osttangenten-Bau eine Finanzierung durchaus in Sicht, wie Heiko Knopf darlegte: 8 Millionen Euro – statt der jetzt veranschlagten 1,7 Millionen Euro allein für die Angerkreuzung. Eine Wartezeit von etwa 22 Monaten bis zum Baustart für eine neue Osttangente haben sich die Koalitionäre ausgerechnet. Obendrein sind nach Christian Gerlitz‘ Beschreibung die Vorbehaltsflächen für die VierSpuren-Aufweitung zwischen Fischergasse und Anger vorhanden. Damit folge man im Übrigen dem Verkehrsentwicklungsplan von 2002, sagte Guntram Wothly.
Nur: Wenn die Logik derart bieder ist – weshalb wurde dann überhaupt der separate Ausbau der Angerkreuzung erst vorangetrieben? Ist die Verärgerung der Verwaltung wegen der Umsonst-Planung nicht verständlich? – Schon richtig, sagte Christian Gerlitz. Nur sei jene Planung 2011 als Kompromiss beschlossen worden. „Da hat man nicht geglaubt, dass die Osttangente politisch durchsetzbar ist. Ein Riesenbrocken, an den sich keiner rangetraut hat.“ Doch habe sich in den letzten Jahren Jenas Nord-Süd-Ausrichtung deutlich forciert: noch mehr Gewerbeansiedlung in Lobeda, Göschwitz, Maua, dazu die Ballung des Klinikums in Lobeda; noch mehr Wohnentwicklung insbesondere im Norden der Stadt. „Und dem muss doch Rechnung getragen werden“, sagte Wothly.
Zugleich werde ein Osttangenten-Ausbau den Weg ebnen für die Verkehrsberuhigung des östlichen Löbdergrabens. Was dort derzeit an Kraftfahrzeugen rollt, würde künftig über die Osttangente gelenkt. Ein so besiegelter Wegfall der Doppelkreuzung Anger und Lutherplatz wiederum „ist auch eine Kapazitätserweiterung“, sagte Gerlitz.
Und noch etwas: Eindeutig sei, dass die Verflüssigung an der Kreuzung Fischergasse auch den leidigen Rückstau von der Knebelstraße bis zur Kahlaischen Straße auflösen würde. Der Beschleunigung in den und aus dem Süden wäre so also nicht nur auf der Hauptader Stadtrodaer Straße, sondern auch auf der Kahlaischen und der Rudolstädter Straße gedient.
Nicht zu trennen ist die Diskussion um die Osttangente vom Streit um eine Westtangente: Zwischen Steiger und CarlZeiss-Platz soll zunächst eine „Durchwegung“und Erschließung des Areals „Altes Bachstraßen-Klinikum“ermöglicht werden, „aber eben kein Highway“, wie Heiko Knopf formulierte. So wie in den vergangenen Jahren auf der Osttangente werde nun eine Entwicklung im Westen quasi frei gehalten.
Für die Grünen sei es gewiss nicht leicht, sich zu zwei derart großen Straßenbau-Projekten zu bekennen. Doch sei die Priorisierung der Osttangente die „städtebaulich verträgliche und leistungsfähige Lösung“, indessen die „hohe Trennwirkung“einer Westtangente vermieden würde. Praktisch könne das heißen, dass etwa aus dem Angergässchen an der Ostseite der IGS „Grete Unrein“eine Angerstraße wird, wie Heiko Knopf sagte.
Christian Gerlitz formulierte es so: „Keine Tangente in ganzer Pracht, aber es werden Möglichkeiten belassen.“
2011 schien Osttangente nicht durchsetzbar
Kein Highway durchs alte Klinikum Bachstraße
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