Thüringische Landeszeitung (Jena)
Bündnis will Fachkräftekrise verhindern
Wirtschaftsminister Tiefensee: Die Digitalisiertung verändert jeden fünften Job. Zahl der Thüringer im erwerbsfähigen Alter sinkt um 29 Prozent
ERFURT. Nach Einschätzung von Fachleuten verändert die Digitalisierung das Profil von bis zu 20 Prozent der Arbeitsplätze.
Das gelte nach Studien nicht nur für die Industrie, sondern auch für Handel, Logistik und viele Dienstleistungsbereiche, sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gestern in Erfurt. Darauf müsse Thüringen reagieren. Auch deshalb sei vor einem Jahr die Allianz für Berufsbildung und Fachkräftesicherung gegründet worden.
Arbeitsministerin Heike Werner (Linke) sagte, bisher gebe es keinen Mangel an Arbeitskräften, aber Engpässe bei Fachkräften in einigen Bereichen, zu der die Pflege, aber auch bestimmte Handwerksberufe wie Bäcker oder Fleischer gehörten.
Bis 2020 müssen in Thüringen allein 210 000 Stellen neu besetzt werden, weil viele Menschen das Rentenalter erreichen. Weitere etwa 70 000 Stellen würden nach Prognosen neu entstehen. Gleichzeitig sei in den Vorjahren die Arbeitslosenzahl gesunken und der Anteil der Erwerbstätigen gestiegen. „ Wir buhlen um die gleichen Köpfe.“Stefan Werner, Landesgeschäftsführer der Parität zur Konkurrenz von Wirtschaft und Sozialbereichen bei der Besetzung von AzubiStellen
Damit aus diesen gegenläufigen Trends keine Fachkräftekrise entstehe, sei seit Gründung der Allianz aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Sozialverbänden und Politik eine Vielzahl von Projekten gestartet worden, sagte Werner.
Es gehe um Ausbildungsangebote für leistungsschwächere Schüler, mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Erhaltung der Arbeitskraft von älteren Menschen, aber auch die Integration von Flüchtlingen und Migranten. Für die Integration von benachteiligten Gruppen seien über das Landes arbeitsmarkt programm im vergangenen Jahr 2016 insgesamt 8,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Mit dem Geld würden 39 Projekte gefördert, in die derzeit etwa 2000 vor allem junge Menschen einbezogen seien. Der Präsident der Industrieund Handelskammer Südthüringen, Peter Traut, berichtete von einem Projekt für die Integration von Flüchtlingen und Migranten. Innerhalb eines Jahres seien 1000 Kontakte vor allem zu jungen Leuten aus Syrien und Afghanistan hergestellt worden. Erste Praktika seien vermittelt und mehr als 200 Qualifizierungen angestoßen worden. Zudem seien 59 Ausbildungsverhältnisse begründet worden. „Bei etwa 30 000 Flüchtlingen in Thüringen ist das eine überschaubarer Zahl, aber ein guter Anfang“, sagte Traut. Die Wirtschaft habe ein Netzwerk zur Integration aufgebaut. (dpa)