Thüringische Landeszeitung (Jena)
Die neue Epoche der hochauflösenden Musik
Professor Brandenburg zu HiRes Audio
ILMENAU. Streaming-Dienste werben wie Hersteller von Abspielgeräten und Kopfhörern mit HiRes Audio. Was HDTV für die Augen ist, soll HD-Audio für die Ohren sein. Doch ganz so einfach ist es mit der klanglichen Beurteilung hochauflösender Musik nicht.
Seit mehr als drei Jahrzehnten ist die CD in den meisten deutschen Wohnzimmern zu Hause. Das wird erstmal auch so bleiben – aber klanglich hat die Compact Disc Konkurrenz bekommen. Für Musikfans soll künftig an hochauflösenden Audio-Dateien kein Weg mehr vorbeiführen. Unter dem Schlagwort High Resolution (HiRes) Audio wird eine Qualität jenseits der CD versprochen. „HiRes Audio ist ein schillernder und nicht klar definierter Begriff“, sagt Professor Karlheinz Brandenburg, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie in Ilmenau. „Üblicherweise reden wir von HiRes, wenn die Abtastrate des Audiosignals und die Auflösung größer definiert sind als im üblichen Hifi-Bereich.“Im Detail bedeutet dies eine höhere Abtastrate als 48 Kilohertz, etwa 96 oder 192 Kilohertz, sowie eine Auflösung jenseits von 16 Bit. Brandenburg zufolge ist die höhere Auflösung insbesondere im Studio sehr wichtig – bei der Verarbeitung des Tonsignals könnten ansonsten Störungen erzeugt werden, die hörbar sind.
Hifi-Spezialist Bernhard Rietschel erinnert daran, dass mit DVD-Audio und SACD die ersten hochauflösenden Digitalmedien bereits um die Jahrtausendwende auf den Markt kamen, ohne sich allerdings erfolgreich durchsetzen zu können. „HiResInhalte werden heute praktisch ausschließlich in Dateiform gehandelt, sprich als Downloads über Portale wie Highresaudio.com, Linnrecords.com und viele andere.“Auch der Streaming-Dienst Tidal bietet HiResInhalte an. „Dabei setzt Tidal auf ein Dateiformat namens MQA, das aber nicht unumstritten ist“, so Rietschel. So erfolge damit eine nicht verlustfreie Komprimierung. Zudem handele es sich um ein geschlossenes Format, das auf entsprechend lizenzierte Wiedergabegeräte angewiesen ist. Zum Abspielen der hochauflösenden Dateien dienen entweder PCs oder Macs, die häufig mit speziellen Abspielprogrammen und externen D/A-Wandlern veredelt werden, oder Hifi-spezifische Netzwerkspieler. Für unterwegs gibt es eine große Auswahl HiRestauglicher Player. „Zum Hören zu Hause braucht man im Minimalfall einen PC“, sagt Rietschel. „Das typische Hifi-Szenario besteht – neben üblichen Komponenten wie Boxen und Verstärkern – aus einem hochwertigen Netzwerkspieler, einem NAS-Server sowie einem Tablet oder Smartphone zur komfortablen Steuerung.“
Brandenburg zufolge sind die Abspielgeräte heute fast alle so gut, dass sie auf die Wiedergabequalität hochauflösender Audiodateien wenig bis gar keinen Einfluss ausüben. Hingegen lohne es sich, für Lautsprecher und Kopfhörer etwas mehr Geld auszugeben, da sie die schwächsten Glieder in der Kette sind.
„Verschiedene Hörtests konnten bisher keinen signifikanten Unterschied zwischen HiRes Audio und der CD nachweisen“, sagt Susanne Rath, Geschäftsfeldleiterin AV- und Produktionssysteme vom Institut für Rundfunktechnik in München. Allerdings gebe es Menschen, für die HiRes-Dateien wesentlich klarer und detailreicher klingen. Anders ist es, wenn man HiRes Audio mit verlustreichen Komprimierungen wie MP3oder AAC-Dateien betrachtet. Diese Codierungen basieren darauf, dass alle Anteile des Audiosignals, die für das menschliche Gehör unhörbar sind, nicht mit übertragen werden. Dadurch ergeben sich niedrige Datenraten. „Demgegenüber hat HiRes Audio sicherlich den klaren Vorteil
der immer sehr guten Qualität“, sagt Rath.
Für Rietschel klingt HiRes in vielen, aber nicht allen Fällen besser als die CD. HiRes-Musik mit ihrer explizit audiophilen Zielgruppe sei oft anspruchsvoller gemastert, also zum Beispiel in der Dynamik weniger stark komprimiert, und klinge daher klar besser. Auch unterwegs, wo Nebengeräusche und Verkehrslärm den Musikgenuss beeinträchtigen, rät Rietschel zu Musik in guter Qualität. Er empfiehlt, Musik in verlustfreien Formaten wie FLAC und Apple Lossless oder zumindest weniger drastisch datenreduziert abzuspeichern. „Obwohl Speicherplatz heute billig verfügbar ist, verwenden viele Mobilhörer immer noch unnötig starke Datenreduktion – etwa weil das zum Rippen der CDs verwendete Programm eben so eingestellt ist, oder weil sie sich der Nachteile dieser Einstellung nicht bewusst sind.“Sofern die OriginalCDs verfügbar sind, lohne es sich in solchen Fällen, diese in Lossless-Qualität neu zu rippen. Der Klangvorteil gegenüber Mager-MP3 sei schon mit StandardEquipment deutlich hörbar.