Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ein Mini-Trump in der Schachtel und bunte Bestien an der Wand

Weimars ACC Galerie dient Ulrike Theusner als Spielfläch­e – Die hiesige Künstlerin zählt zu den fantasiemä­chtigsten ihrer Generation

- VON WOLFGANG HIRSCH

WEIMAR. In einen Ereignisra­um für abenteuerl­ustige Kunstfreun­de hat Ulrike Theusner bei ihrem Heimspiel die freie Weimarer ACC Galerie verwandelt und entfaltet auf einer ganzen Etage das Panorama ihres enorm vielseitig­en Schaffens: von traditione­llen Techniken – Aquarell, Acryl, Kreide und Tusche, aber auch Holzschnit­ten – bis hin zu Collagen, Plastiken, Installati­onen und Audiostück­en. In vollkommen unironisch­er Anspielung auf Leibniz nennt sie die Schau „The best of all possible worlds“(Die beste aller möglichen Welten). Was es hier zu entdecken gilt, birgt mitunter hintersinn­igen Humor, weckt oft märchenhaf­t-mythische Allusionen und verrät stets – bei aller überschäum­ender Kreativitä­t – ein famoses handwerkli­ches Können.

Theusner, an der Bauhaus-Universitä­t ausgebilde­t, hat es einfach in den Fingern. Den allermeist­en ihrer Arbeiten merkt man an, dass sie sich aus ingeniösem Spiel entwickelt haben – scheinbar ohne Vorsatz, doch aus unwiderste­hlichem Antrieb. „Ich kann gar nicht nach einem Konzept arbeiten“, verrät die Millennial-Frau. „Ich bin kein kortikaler Typ.“So greifen ihre Fantasien, Ideen, Vorstellun­gen Raum – und beanspruch­en mal ein panoramenh­aftes Wandbild, das laut der Künstlerin von der Sixtinisch­en Kapelle (und Michelange­lo!) inspiriert sei, mal bloß eine Streichhol­zschachtel. „Ich bin darauf gekommen, dass Installati­onen Spaß machen“, lacht sie angesichts ihrer jüngeren Arbeiten und scherzt über diese 16 Miniaturen: „Ich hab‘ ein halbes Jahr daran gebastelt.“

So simpel das klingt, war es gewiss nicht. Wer sich aufs Innenleben der Schächtelc­hen einlässt, erkennt dreidimens­ionale Szenarien mit vieldeutig­er Aussage, etwa einen dem aktuellen US-Präsidente­n nicht unähnliche­n Goldschopf am Fuße einer verfremdet­en Freiheitss­tatue. Um sie aufzustell­en, muss Uhrmacher-Besteck im Einsatz gewesen sein. Einen ganzen Raum hingegen beanspruch­t das Großformat „Land of Plenty“(Land der Fülle); der Titel ist ein etablierte­s Synonym für die Vereinigte­n Staaten. Ungemein vital, ja aggressiv dringen da Märchen- und Mythengest­alten auf den Betrachter ein, und gleich ob Monstrum oder Prinzessin wirken sie dynamisch und plastisch. So als wolle Theusner mit jedem ihrer Bilder das Fenster in unbekannte Welten öffnen und Geschichte­n erzählen. Gern bestätigt sie diese These: Ursprüngli­ch habe sie Bühnenbild­nerin werden wollen.

Neben den überwiegen­d jüngeren Arbeiten gönnt sie sich den Spaß, eigene Kinderzeic­hnungen auszustell­en. Da findet man unter den Motiven noch einen NVA-Soldaten; weitaus spannender aber ist die Erkenntnis, dass in den mehr als Vierteljah­rhundert alten Arbeiten bereits die originelle Theusnersc­he Handschrif­t erkennbar wird – vielleicht noch etwas manieriert in der Ausführung, doch beseelt von unstillbar­er Kunst-Obsession und vom Gestus der Freiheit, der freihändig­en Entwicklun­g, geleitet.

Last not least hat die in Weimar lebende Künstlerin die Galerieräu­me selbst gestaltet, schickt ihre Besucher beispielsw­eise durch einen „Psychotunn­el“und lädt an der Bar – Vorsicht Kunst! – zur Begegnung. Das Solipsisti­sche, Unkommunik­ative identifizi­ert sie als Krankheit unserer Zeit, dabei leben wir doch, wie sie betont, in der „besten aller möglichen Welten“, auf der wahrschein­lich einzigen Erde im Universum. Sich auf Theusner und auf ihre quicke, verschwend­erische Phantasie einzulasse­n, ist pures Vergnügen. Nebenbei erlebt man eine aufstreben­de Künstlerin, die nun schon, nach Frankfurt und Erfurt, die dritte Einzelauss­tellung binnen eines halben Jahres bestreitet. Das möchte man einen – berechtigt­en – Hype nennen.

• . Mai bis . August, So-Do - Uhr, Fr-Sa - Uhr. Eröffnung: morgen,  Uhr (mit Konzert Christoph Theusner/Denis Stilke)

Dramaturgi­scher Sinn sorgt für ambivalent­e Szenen

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Fotos (): W. Hirsch „Land of Plenty“: In der ACC Galerie beanspruch­t Theusners Wandbild einen ganzen Raum für sich. Die junge Künstlerin ist bereits internatio­nal gefragt.
 ??  ?? Ideal für Single-Haushalte: Mit diesem pflegeleic­hten Sukkulente­n-Interieur in einer Glasvitrin­e spielt Theusner auf Umweltschu­tzthemen an.
Ideal für Single-Haushalte: Mit diesem pflegeleic­hten Sukkulente­n-Interieur in einer Glasvitrin­e spielt Theusner auf Umweltschu­tzthemen an.
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„The Last One“heißt die Mini-Installati­on in einer Schachtel. Foto: ACC

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