Thüringische Landeszeitung (Jena)

Unkenntnis oder gar Vermessenh­eit?

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Gedanken über die Hochhauspl­äne in dem Baugebiet „Zwätzen-Nord“machen sich Thomas und Martina Pester vom Verein Kulturland­schaft Zwätzen e.V.

Im Jubiläumsj­ahr der 1617 in Weimar von ernestinis­chen und anhaltinis­chen Fürsten gegründete­n „Fruchtbrin­genden Gesellscha­ft“, der ältesten deutschen Sprachgese­llschaft nach den „Meistersin­gern“, ziehen die Stadtoberh­äupter/Innen in einem Eilverfahr­en die gravierend­e Veränderun­g einer alten Kulturland­schaft im Norden Jenas durch.

Der Ort Zwätzen als einstiger Hauptsitz der Ballei Thüringen des Deutschen Ordens war eine zeitlang ein Refugium dieser auch als „Palmenorde­n“bekannten größten kulturpoli­tischen Initiative der Frühen Neuzeit. Eine spätere Abbildung der Landschaft findet sich auf S. 68 der gerade erschienen Publikatio­n „Orte der Reformatio­n: Jena“.

Ein anderer symbolträc­htiger Kupferstic­h von 1622/23 zeigt ein besonders denkwürdig­es Treffen von 12 „Fruchtbrin­gern“auf ernestinis­chen Territoriu­m, in dem unter Leitung des Fürsten von Anhalt der Jenaer Stadthaupt­mann Friedrich von Kospoth als 55. in das Verteidigu­ngsund Sprachbünd­nis aufgenomme­n wird.

Über ein solches Alleinstel­lungsmerkm­al verfügen nicht viele Städte in der Bundesrepu­blik.

Mit einem epochalen Werk, einem neuen Turm von Babel, sind die Stadtobere­n und -räte offenbar entschloss­en, sich in das Herz der Kulturland­schaft auf ihre Weise einzupräge­n. Steht dahinter Unkenntnis oder gar Vermessenh­eit? befürchten, dass hier ähnlich ungefüge Betonklötz­e entstehen sollen wie im sogenannte­n Sonnenhof, in den sich kaum einmal ein Sonnenstra­hl verirrt. Und schließlic­h kann man vom unbebauten Eichplatz aus fast alle bedeutsame­n Gebäude Jenas sehen (gekürzt).

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