Thüringische Landeszeitung (Jena)
Immer schön geduldig bleiben
Torfrau Kathrin Längert hängt die Töppen an den Nagel
JENA. Unmittelbar vor dem letzten Heimspiel in dieser Saison wurde sie in den Fußballer-Ruhestand verabschiedet, die 29jährige Torhüterin Kathrin Längert. „Das war schwierig. Unmittelbar vor dem Anpfiff, man bekommt Blumen, winkt, aber in Gedanken war ich eher beim Spiel“, sagt sie. Unter die Haut sei‘s ihr gegangen, als sie schon zuvor die Trainer und dann die Mannschaft über ihren Abschied informiert habe. Aber: „Erst wenn die neue Saison losgeht, werde ich tatsächlich realisieren, dass sich etwas Entscheidendes in meinem Leben geändert hat.“15 Jahre lang war der Fußball der Mittelpunkt ihres Lebens, Leistungssport, der alles abverlangt. „Das ist wie ein Hamsterrad“, sagt die Essenerin.
Schon im Kindergartenalter hat sie begonnen mit dem Fußball. Ihr großer Bruder hat sie auf alle Bolzplätze der Stadt mitgenommen. Mit sieben Jahren trat sie dann in einen Verein ein, spielte erstmal bei den Jungen, erst später in einer Mädchenmannschaft. Nach Essen kamen Stationen in Duisburg, bei Bayern München und beim schwedischen FC Rosengård, bevor sie im Januar 2016 nach Jena kam. Bei der Frage nach dem größten Erfolg fällt es ihr schwer, sich festzulegen. „Es gab mit jeder Mannschaft einen besonderen Höhepunkt. Der größte Erfolg mit der Jenaer Mannschaft war natürlich der Klassenerhalt. Das Spiel in Duisburg war für mich wirklich eine emotionale Ausnahmesituation.“Da sei ihr ehemaliger Verein gewesen, eine ehemalige Kollegin auf der Trainerbank und dazu noch ein Trauerfall in der Familie. „Da kam so viel zusammen. Nach dem Spiel sind mir wirklich Felsbrocken von den Schultern gefallen.“
Was bewegt eine grazile Frau, ausgerechnet Torhüterin in einer Fußballmannschaft zu werden? „Man muss wirklich ein wenig verrückt sein, weil es da Situationen gibt, in die man sich besser nicht begeben sollte“, räumt Kathrin Längert ein. Als Torhüterin freue sie sich, wenn sie aus zwei Metern Entfernung einen Ball ins Gesicht geschossen bekomme – weil er dann nicht ins Tor geht. „Man muss auch mental sehr stark sein, jedes Spiel ist wie ein Tanz auf der Rasierklinge. Du musst dich 90 Minuten lang absolut auf deine Aufgabe konzentrieren.“
Natürlich habe sie als Kind auch im Feld gespielt, aber das Tor zu hüten, das habe ihr schon immer am meisten Spaß bereitet. „Es ist ein Kick, ein Adrenalinschub, wenn du den Ball aus dem Winkel kratzt und so das Spiel mitentscheiden kannst.“Und das Springen nach dem Ball, das Fliegen, das ist einfach nur super.
Mit dem Fußball gibt Kathrin Längert jetzt auch den Standort Jena auf. „Jena ist schöne Stadt, ich bin froh, dass ich hierhergekommen bin“, sagt sie. Der Verein habe sie sehr positiv an alte Zeiten erinnert. Hier sei alles familiärer, jeder kenne jeden, es sei eine Gemeinschaft, es werde menschlich und vertrauensvoll miteinander umgegangen. Freilich hätte sich Kathrin Längert gewünscht, noch ein, zwei Jahre im Jenaer Kasten stehen zu können. Aber die Gesundheit gebe es nicht her, die Hüfte bereite schon längere Zeit Probleme.
Wie es weitergeht, ist noch offen. Beruflich hat Kathrin eine solide Basis, kann auf den Bachelor in den Fächern Germanistik und Anglistik verweisen, den sie in München erworben hat. „Auf eine Ausbildung habe ich großen Wert gelegt. Im Spiel kann dich einer abgrätschen, dann ist das Knie kaputt. Deshalb war schon zeitig klar, dass ich auch eine Alternative brauche.“Deshalb mache sie sich jetzt auch keinen Stress. Bis Ende Juni werde sie in Jena bleiben. Dann hat sie eine sechsmonatige Pause auf dem Plan. „Bisher war immer alles durchgetaktet: Schule, Studium, Fußball, Arbeit.“Jetzt will sie erst mal durchatmen, sich Zeit nehmen für Familie, Freunde und Reisen. Sie habe „15 Jahre geknüppelt“, dabei aber auch ein wenig Geld auf die Seite gelegt, das werde jetzt verjubelt. Und dann wird wieder nach vorn geschaut.
Ein Tipp für ihre Kolleginnen im Jenaer Team? „Geduldig bleiben. Erfolg stellt sich nie in ein paar Wochen ein. Es gibt nur zwölf Mannschaften in der Frauen-Bundesliga. Dazu zu gehören ist nicht selbstverständlich, sondern ein Riesenprivileg.“