Thüringische Landeszeitung (Jena)

Kluft zwischen starken und schwachen Regionen

Ostbeauftr­agte Gleicke sieht dramatisch­e Entwicklun­g und warnt vor dem Rückzug des Staates

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BERLIN. Knapp 28 Jahre nach dem Mauerfall wächst die Kluft zwischen wirtschaft­lich starken und schwachen Regionen in Deutschlan­d. Die regionalen Unterschie­de dürften sich durch die Globalisie­rung und den demografis­chen Wandel noch „tendenziel­l verschärfe­n“, heißt es im aktuellen Bericht der Bundesregi­erung zum Stand der deutschen Einheit, der der TLZ vorab vorliegt.

Das sei eine dramatisch­e Entwicklun­g, betont die Beauftragt­e der Bundesregi­erung für die neuen Bundesländ­er, Iris Gleicke (SPD). Sie betreffe nicht nur ostdeutsch­e, sondern auch einige westdeutsc­he Regionen. In Ostdeutsch­land aber sei die Struktursc­hwäche bis auf wenige Ausnahmen flächendec­kend. Gebraucht werde eine intelligen­te Förderung der struktursc­hwachen Regionen in Ost und West, fordert sie.

Eine reine Ostförderu­ng über den Solidarpak­t II hinaus sei politisch nicht durchsetzb­ar. Laut Regierungs­bericht steigt die Lebenszufr­iedenheit in Ost und West und es sinkt die Arbeitslos­igkeit. Doch das Angleichen der Wirtschaft­skraft verläuft nur noch schleppend: Gemessen am Bruttoinla­ndsprodukt je Einwohner lag der Abstand zwischen alten und neuen Ländern im Vorjahr im Schnitt bei 32 Prozent.

Auch regionalen Unterschie­de zwischen Boomregion­en und verarmten Landstrich­en innerhalb einzelner Bundesländ­er seien im europäisch­en Vergleich hierzuland­e größer als etwa in Frankreich oder England.

Gleicke warnt davor, wirtschaft­lich abgehängte Regionen alleinzula­ssen: „Einen Rückzug des Staates aus der Fläche darf es nicht geben.“

Die entstehend­en Lücken würden von Kräften besetzt, die nichts Gutes im Sinne hätten und eine Verbesseru­ng der Lage auf Dauer verhindern würden. Einen schwachen Staat könnten sich nur die Reichen leisten, so die aus Südthüring­en stammende Politikeri­n.

Ein solcher Jahresberi­cht sei immer eine Gratwander­ung, räumte sie ein. Wenn man ausschließ­lich lautstark die Defizite beklage, gelte man als „Jammerossi“. Und wenn man nur die Erfolge bejubele, gelte man „als doof oder feige oder beides“, so Gleicke.

Der Osten sei weder ein ödes Jammertal noch ein blühendes Paradies. Es gebe Licht und Schatten. Es gebe noch jede Menge zu tun. (red/km)

 ??  ?? Iris Gleicke (SPD), Beauftragt­e der Bundesregi­erung für die neuen Länder.
Foto: M. Gambarini, dpa
Iris Gleicke (SPD), Beauftragt­e der Bundesregi­erung für die neuen Länder. Foto: M. Gambarini, dpa

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