Thüringische Landeszeitung (Jena)
Was vom Börsenstar geblieben ist
Intershop hat eine wechselhafte Geschichte durchlebt: Heute feiert der Jenaer Softwarehersteller sein 25Jähriges
JENA. Elf Milliarden Euro. Elf mal tausend Millionen. Unvorstellbar. Am 13. März des Jahres 2000 erreichte die Aktie von Intershop ihren Höchststand. 2105,37 Euro musste man für einen Anteilsschein hinblättern.
Begonnen hatte das Thüringer Börsen-Märchen mit einer Glocke. Diese erklang am 16. Juli 1998 auf dem Parkett in Frankfurt am Main. Die Aktie der Jenaer Software-Schmiede kannte ab dieser Minute kein Halten mehr. Es störte die Käufer nicht, dass das kleine Unternehmen aus Jena keinen Gewinn macht. Schließlich wurde am Neuen Markt die Zukunft gehandelt.
Gleich am ersten Handelstag verdoppelte sich der Ausgabepreis. Nicht nur die Gründer wurden auf einen Schlag zu Millionären. Auch viele Mitarbeiter wurden über ihre Aktienoptionen steinreich.
In der Hochzeit hatte das Unternehmen 21 Niederlassungen zwischen Los Angeles und Hongkong. Der Finanzvorstand residierte in Hamburg, die Software-Experten werkelten in Jena und Stephan Schambach, das Aushängeschild des Unternehmens, war meist in der Zentrale in San Francisco zu erreichen. Oder aber er saß im Flugzeug über dem Atlantik. Der Name Intershop, zu DDR-Zeiten stand der Begriff für Devisenläden, in denen es so wunderbar nach Westen roch, erwies sich als perfekte Marke. Er war einfach, einprägsam und international verständlich.
Dabei wissen die Gründer schon lange nicht mehr, wer auf die eigentliche Idee mit dem Namen kam. Verbürgt ist nur, dass Karsten Schneider und Stefan Schambach mit ihrem Team an einem Freitagabend im Garten bei einem Kaltgetränk saßen. Und plötzlich war der Name geboren, aus einer Partylaune heraus. „Wir dachten nur: das ist einfach geil“, erinnert sich Schneider.
Seitdem ist viel passiert, viel ist kaputt gegangen. Die Anleger verloren irgendwann das Vertrauen in die Geschäftsidee. Einige sahen die Fehler beim Management, denn auf dem wichtigen amerikanischen Markt konnte sich das Unternehmen aus Jena nie wirklich durchsetzen. Andere machten die allgemeine Überhitzung der Aktienmärkte verantwortlich. Die Wahrheit wird wohl wie so häufig in der Mitte liegen. Fakt ist auch, dass zum Börsengang allzu hohe Erwartungen geweckt wurden, die dann nicht bestätigt werden konnten. Wie bei vielen anderen Firmen auch. Hinzu kam eine unbändige Gier: bei den Banken, den Unternehmern und den vielen Kleinaktionären.
Einmal Wahnsinn und zurück. An nur einem Tag Anfang 2001 verlor die Intershop-Aktie 70 Prozent. Und in der Vorweihnachtszeit 2005 erreichte das Papier sein Allzeittief: 88 Cent. Es folgte eine lange Durststrecke, die Gründer gingen von Bord, das Management wechselte oft. Nur unter wenigen Quartalen stand eine schwarze Null. Mehrere Strategieschwenks sollten die Gesellschaft auf Kurs bringen. Mal setzte das Management mehr auf die Servicedienstleistungen, zuletzt folgte die Rückbesinnung auf das Lizenzgeschäft mit der Software. Wollte sich Intershop zunächst auf die Baubranche konzentrieren, steht nun der Großhandel im Fokus.
Unter Vorstandschef Jochen Wiechen arbeitet die IntershopMannschaft hart, in wirtschaftlich gesundes Fahrwasser zu kommen. Nach Entlassungen sucht das Unternehmen mit 326 Mitarbeitern inzwischen wieder Arbeitskräfte. Zarte Gewinne stehen in der Bilanz des ersten Halbjahres.
Und Intershop hat wieder Pläne. Das Unternehmen will in zwei Jahren in eine neue Konzernzentrale umziehen. Ein Investor baut den neuen Sitz direkt neben dem geplanten Campus der Jenaer Universität am Inselplatz, der auch die Informatikfakultät beherbergen soll. Das Grundstück am Steinweg ist bereits reserviert.
Der bessere Zugang zu den Nachwuchskräften – der Student ist bequem – und die moderner gestaltbaren Arbeitsflächen ziehen die Gesellschaft aus dem Turm, der den Namen des Unternehmens seit seiner Sanierung trägt. Noch nicht geklärt ist, ob die überdimensionale Leuchtreklame in luftiger Höhe über dem Stadtzentrum in Betrieb bleibt. Vorstandschef Wiechen hätte zumindest nichts dagegen.
Doch bevor die Entscheidung ins Haus steht, will er heute feiern: Intershop lädt seine Kunden zu einem Kongress ins alte Jenaer Umspannwerk ein – in ein Start-up-Ambiente wie vor 25 Jahren.