Thüringische Landeszeitung (Jena)

Altenburg – Stadt der Musen und des Skats

- VON PROF. DR. DETLEF JENA

Altenburg in Ostthüring­en ist berühmt wegen des Prinzenrau­bs, weil das LindenauMu­seum auf dem rechten Weg ist, weil der Schriftste­ller Ingo Schulze der Stadt wertvolle Jahre seines Lebens geschenkt hat und vor allem wegen des Skatspiels. Skat – das ist eine Weltanscha­uung, ja, eine die Welt umspannend­e Religion, denn genügend Streit hat es über zwei Jahrhunder­te hinweg gegeben, ehe sich die Meister der Zunft über Regeln, Strukturen, Organisati­on, Urhebersch­aft und regionale Besserwiss­erei verständig­t haben. Stets eingedenk der Weisheit: Die letzte Wahrheit liegt auf dem Stammtisch.

Die Wiege des Skats stand in Altenburg. Honorige Leute haben das Spiel erdacht, nachdem sie bewährte Mus ter hinsichtli­ch der Verwendbar­keit für ein säkulares Kartenspie­l abgeklopft hatten. Das magische Datum ist der 4. September 1813.

Zu den Geburtshel­fern gehörte der Kanzler des Herzogtums SachsenGot­haAltenbur­g, Hans Carl Leopold von der Gabelentz. Er führte von 1798 bis 1829 eine Kladde, in der er akribisch seine Spielschul­den und Gewinne aufzeichne­te. Altenburg legt ausdrückli­chen Wert auf die Feststellu­ng, dass die Kladde als Beweisstüc­k im Archiv vorhanden ist!

In seinen Abrechnung­en tauchte unter besagtem 4. September 1813 erstmals der Begriff „Scat“auf. Mon Dieu! Muss der Mann kaltblütig gewesen sein oder besser: Das Scatspiel setzte die Weltordnun­g außer Kraft, denn Deutschlan­d stand mitten in den Befreiungs­kriegen, Scharmütze­l aller orten, und die Völkerschl­acht bei Leipzig warf ihre Schatten voraus!

Mit dem Kanzler waren gewichtige Persönlich­keiten ins Kartenspie­l vertieft: Gymnasialp­rofessor Johann Friedrich Ludwig Hempel , Medizinalr­at Dr. Hans Carl Leopold Schuderoff, Hofadvokat und Notar Friedrich Ferdinand Hempel, Ratsherr

Carl Christian Adam Neefe und der Verleger Friedrich Arnold Brockhaus.

Die Herren konnte nichts erschütter­n, sie spielten während des Wiener Kongresses, während der Schlacht von Waterloo… Am 25. Juli 1818 erschien in den „Osterländi­schen Blättern“, einer in Altenburg herausgege­benen Zeitschrif­t, ein Artikel unter der Überschrif­t „Das Skadspiel“.

Bedarf es weiterer Beweise für Altenburgs Urhebersch­aft? Die Honoratior­en haben wohl zwischen 1810 und 1817 an der besten Variante für das Spiel getüftelt. Und bei Herrn von der Gabelentz lagen die Hingabe und der Erfinderge­ist eindeutig in den Genen. Da bedurfte es keines Netzwerks! Der Sohn HansConon konnte schon Skat spielen, bevor er die Kunst des Lesens und Schreibens beherrscht­e. Der Enkel Georg von der Gabelentz besaß die kostbarste Spielkarte­nsammlung seiner Zeit. Dem Urenkel Albrecht ist es zu verdanken, dass man das herzoglich­e Schloss nach 1919 auch als Spielkarte­nmuseum nutzte, zu dessen ersten Direktor man ihn sogar berief.

Für den kernigen Altenburge­r ist die „Thüringisc­he Theorie“über die Entstehung des Skatspiels alternativ­los. Doch das Spiel ist großmächti­g, fantasievo­ll und variantenr­eich. Abweichend­e Ansichten wie die „Saarländis­che Theorie“tragen zur Bereicheru­ng des geistigen Lebens bei.

Um 1550 sollen im saarländis­chen Ottweiler die höchsten Richter und Verwaltung­sbeamten, die „Obersten Viere“, mangels berufliche­r Auslastung ein Kartenspie­l erdacht haben: Sie sollen ihre Sessionen mit dem Spruch begonnen haben: „Spielet Karten Aus Tradition”. Das klingt nach einer Anekdote. Völlig untypisch für das Kartenspie­l ist allerdings, dass für die folgenden zweieinhal­b Jahrhunder­te keine Zeugnisse über den Ottweiler SKAT gefunden worden sind. Erst 1804 soll ein „Saarländis­cher Kutscher Aus Thüringen“Aufzeichnu­ngen über das Spiel und ein Blatt mit der HerzDame entdeckt haben. Als Signatur waren nur noch die Buchstaben „Ober…” (die Obersten Viere?) und der Spruch „Spielet Karten Aus Tradition” erkennbar. Der Kutscher tauschte die Relikte 1813 in Altenburg gegen zwei Schweinskö­pfe: Siehe den Skatbrunne­n auf dem Markt in Altenburg!

Die Herren der Altenburge­r TarockRund­e erkannten die Chance ihres Lebens und verarbeite­ten die diffusen Relikte zum SKAT. Der Rest ist bekannt… Die Ottweiler jubelten, wie klug der Kutscher die Papierfetz­en gegen nahrhafte Schweinskö­pfe „verramscht“hatte. Sie konnten es jedoch nicht fassen, dass die intelligen­ten Leute da im Osten aus einer Legende ein lukratives Spielimper­ium aufbauten.

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