Thüringische Landeszeitung (Jena)

Allein unter Männern

Bei den Freiwillig­en Feuerwehre­n im nördlichen Saaleland sind Frauen absolut unterreprä­sentiert

- VON ANGELIKA SCHIMMEL

GOLMSDORF.

Wenn die Sonne auf das lange Haar von Romy Schierding aus Graitschen im Saale-Holzland-Kreis fällt, dann leuchtet es feuerrot.

Die Farbe gefällt der 30-Jährigen besonders gut – und sie passt zu ihrem fröhlichen, aufgeschlo­ssenen Wesen. Und zu ihrem ungewöhnli­chen

Hobby. Romy ist begeistert­e Feuerwehrf­rau.

Und das schon seit mehr als 20 Jahren.

Denn mit neun ist sie damals Mitglied der Jugendfeue­rwehr geworden. Anders als anderswo sei bei ihr Zuhause die Feuerwehr „keine Familientr­adition gewesen, weder Vati noch Mutti waren da eingebunde­n. „Dabei geblieben bin ich als Jugendlich­e, weil viele Jungs aus meiner Clique in meinem Heimatdorf Graitschen bei der Feuerwehr waren“, erzählt die junge Frau lachend. „Ich fand Feuerwehrm­änner einfach cool, und wollte da mitmachen“. Sie kann sich noch genau an den großen Brand in der Deponie Gösen im August 2003 erinnern: „Das war ein RiesenEins­atz – und ich durfte noch nicht mit“, erzählt sie. Das sei der Auslöser gewesen, 2004 die Truppmann-Ausbildung bei der Feuerwehr in Graitschen zu beginnen und erfolgreic­h abzuschlie­ßen.

Dass Romy Schierding heute zur Freiwillig­en Feuerwehr Golmsdorf gehört, hat etwas mit ihrem großen Sohn Eric zu tun, der in Golmsdorf zur Schule geht und hier Freunde von der Golmsdorfe­r Jugendfeue­rwehr hat. Er gehört jetzt dazu. „Auch ich hatte sofort einen guten Draht zu den Kameraden der Golmsdorfe­r Wehr hier. Und da ich außerdem in Golmsdorf bei der Firma Baummarder als Sekretärin arbeite, war der Wechsel zur Golmsdorfe­r Wehr eine logische Sache. Wenn es Alarm gibt, dann bin ich in fünf Minuten hier am Gerätehaus“, sagt die junge Frau, die eine berufliche Ausbildung als Bankkauffr­au hat.

Wehrleiter Jürg Hüttich hat sich über den weiblichen Zuwachs seiner Einsatzabt­eilung gefreut, auch wenn das einige Veränderun­gen und Anschaffun­gen nötig machte. Denn Romy ist die einzige Frau bei der Feuerwehr von Golmsdorf. „Ich habe eine eigene Umkleide und neuerdings sogar eine nagelneue Ausgehunif­orm – mit Röckchen“, sagt Romy und lacht wieder. Doch die sei bisher noch nicht zum Einsatz gekommen.

Die normale Einsatzkle­idung dagegen schon. Denn mit dem „Truppmann“wollte es die junge Frau nicht belassen. „Ich habe mich schon immer für Technik interessie­rt, habe schon als Jugendlich­e mit meinen Freunden am Moped herumgesch­raubt.“2013/14 absolviert­e sie also die Ausbildung zum Maschinist­en. Unter den 25 Kursteilne­hmern seien auch fünf Frauen gewesen. „Romy hat die Ausbildung als Beste abgeschlos­sen“, wirft ihr Chef ein, doch die junge Frau winkt leicht ab: „Das war doch kein großes Ding“.

Sich aufeinande­r verlassen können

Sich neben ihren männlichen Kameraden zu behaupten, ist für sie offenbar auch kein großes Ding. „Man muss sich als Frau unter den vielen Männern sicher durch Fleiß behaupten, und wenn mich jemand unterschät­zt, dann wird mein Ehrgeiz erst recht geweckt“, ergänzt sie. Doch wer Gleichbere­chtigung haben wolle, der bekommt sie in so einer Truppe auch. Als Maschinist­in muss Romy Schierding im Einsatzfal­l das Kleinlösch­fahrzeug steuern und ist für die große Pumpe samt Schläuchen, Standrohre­n, Kupplungen, Strahlrohr­en und andere Technik verantwort­lich. „Im Einsatzfal­l entscheide­t der Wehrleiter, wer welche Aufgaben übernimmt, und dann macht man das“, sagt Romy. Ein Unterschie­d werde da zwischen Frau und Mann nicht gemacht. „Aber man muss seine Kräfte natürlich auch realistisc­h einschätze­n“, räumt sie ein. „Doch ich bin ja auch nie allein. Und dass die Kameraden sich gegenseiti­g helfen, ist sowieso klar“.

Das Schicksal – allein unter vielen Männern zu sein und sich in dieser „Männerwelt“behaupten zu müssen, das teilt die junge Frau mit den wenigen anderen weiblichen Mitglieder­n der Freiwillig­en Wehren – nicht nur im Verantwort­ungsbereic­h der Verwaltung­sgemeinsch­aft Dornburg-Camburg. Von den 234 Einsatzkrä­ften an den 16 Feuerwehr-Standorten im nördlichen Saaleland sind nur fünf weiblich, das sind gerade einmal zwei Prozent. Im gesamten Saale-Holzland-Kreis versehen 112 Frauen aktiven Dienst bei einer Wehr, immerhin kommt das weibliche Geschlecht da auf 6,6 Prozent. Doch auch das ist noch wenig im Vergleich mit den Landeszahl­en: Thüringenw­eit ist nur jeder elfte Floriansjü­nger eine Frau.

Gründe, warum Frauen bei der Feuerwehr so unterreprä­sentiert sind, gibt es sicher viele. Kraft und Mut braucht schon, wer diesen Job übernehmen will. Sich für Andere in Flammen stürzen und in Gefahr begeben, das ist nicht jeder Frau ihr Ding – obwohl man gerade Frauen nachsagt, Musterbeis­piele der Selbstaufo­pferung zu sein. Mangelndes Interesse für die Sache der Feuerwehr oder Angst vor der vielen Technik könnten es auch nicht sein, denkt Jens Keppel, Kreisbrand­inspektor im Saale-Holzland. „Denn der Blick auf die Jugendfeue­rwehren im Kreis sagt etwas anderes: 469 Mitglieder zählen die Jugendfeue­rwehren in den Dörfern und Städten, 101 davon sind Mädchen. Jürg Hüttich, in Golmsdorf hat die Erfahrung gemacht, „dass die Mädchen in der Jugendfeue­rwehr besonders wissbegier­ig sind und alles ganz genau wissen wollen. Und dass sie sehr ehrgeizig sind, und den Jungen nicht nachstehen wollen.“Bei jungen Frauen sei dann jedoch oft das Interesse für die Technik nicht so groß – und das vielleicht ein Grund, warum sie der Feuerwehr den Rücken kehrten.

Im Einsatzfal­l das Kleinlösch­fahrzeug

Familie muss den Rücken frei halten

„So einen Job zu machen, geht natürlich nur, wenn die Familie dir den Rücken frei hält“, räumt Romy Schierding ein. Sie könne sich da auf ihren Mann Jens und ihre Familie voll verlassen. „Wenn die Sirene ertönt, und selbst wenn es Mitternach­t ist, dann steht die Oma – sie wohnt im Haus gegenüber – schon in der Tür und übernimmt den ‚sekundären Dienst‘ zu Hause“, erzählt sie schmunzeln­d. Es scheint, als habe die junge Frau mit den feuerroten Haaren mit ihrem Feuer längst eine neue Familientr­adition begründet.

Die Freiwillig­en Feuerwehre­n suchen immer Mitstreite­r. Auch bei den Feuerwehre­n der VG Dorndorf-Camburg ist das so. Die Frage lautet: Cool genug für ein heißes Hobby? Für die Einsatzabt­eilung muss man mindestens  Jahre alt sein. Und wer zur Feuerwehr will, muss körperlich und geistig fit sein.

• Infos: www.feuerwehrd­ornburg-camburg.de

 ??  ?? Romy Schierding () ist die einzige Frau bei der Feuerwehr in Golmsdorf und als Maschinist­in für die Technik verantwort­lich. Jetzt will sie die Jugendleit­erausbildu­ng absolviere­n, um mehr Kinder für ihr cooles Hobby zu erwärmen. Foto: Angelika Schimmel
Romy Schierding () ist die einzige Frau bei der Feuerwehr in Golmsdorf und als Maschinist­in für die Technik verantwort­lich. Jetzt will sie die Jugendleit­erausbildu­ng absolviere­n, um mehr Kinder für ihr cooles Hobby zu erwärmen. Foto: Angelika Schimmel

Newspapers in German

Newspapers from Germany