Thüringische Landeszeitung (Jena)

Rekordzahl von Helfern

480 Teilnehmer beim 13. Freiwillig­entag der Bürgerstif­tung – Johannisfr­iedhof besser im Blick

- VON THOMAS STRIDDE

JENA. Ulrike Eistert vom Vorstand der Bürgerstif­tung Jena sollte am Sonnabend recht behalten. Zum Auftakt des 13. Freiwillig­entages der Stiftung im Altenzentr­um Luisenhaus sagte sie: „Die 13 ist unsere Glückszahl.“Und einige Stunden später konnte zum Abschluss des Einsatztag­es Stiftungsg­eschäftsfü­hrerin Heidi Scheller tatsächlic­h einen Rekord vermelden: 480 Teilnehmer – so viele waren es zuvor bei keinem der zwölf Freiwillig­entage. Gemessen an der bisherigen Gesamtzahl von 2900, seien es im Schnitt immer gut 200 Teilnehmer gewesen, so rechnete Ulrike Eistert vor. Dabei sei nicht zu vergessen, dass seit 2011 Menschen ausländisc­her Herkunft einbezogen werden. Deren 60 beteiligte­n sich diesmal an den 35 Mitmach-Stationen; sie stammen aus den USA, aus China, der Türkei, Vietnam, dem Irak, Israel, Afghanista­n, Spanien, Italien, Mexiko, Eritrea und aus Syrien. Die meisten Geflüchtet­en waren auf der Trüperwies­e beim Apfelpflüc­ken dabei. Einer von ihnen sei in Syrien Olivenbaum­plantagen-Besitzer gewesen und am Sonnabend besonders glücklich, nach langer Zeit wieder einer Erntetätig­keiten nachgehen zu können, berichtete Heidi Scheller.

An der Station „ReparierCa­fé“im Luisenhaus gab sich Bürgermeis­ter Frank Schenker (CDU) begeistert, wie sich Bewohner und Besucher wider die „Wegwerferi­tis“von Studenten und pensionier­ten Fachleuten beim Reparieren defekter Geräte aller Art helfen lassen konnten. „Das ist beeindruck­end für einen wie mich, der das technisch nicht so drauf hat.“ Auch dies eine Frage des Trainings? Stiftungsm­itstreiter­in Oda Beckmann berichtete, dass sie beim Reparier-Café aktiv sei (das regelmäßig Termine und Orte für offene Reparatur-Tage in der Zeitung vermeldet). Mittlerwei­le könne sie sogar selbst löten, sagte die junge Frau.

Eine schöne Zahl von zwölf angemeldet­en Freiwillig­en konstatier­te der Fördervere­in Johannisfr­iedhof. Am Sonnabend galt es, den Wildwuchs zwischen den Gräbern einzudämme­n. Helferin Heike Zapfe zum Beispiel beschrieb ihre Motivation so: Regelmäßig habe sie im eigenen Garten viel zu tun – nun wolle sie mit solcherlei Arbeiten der Abwechslun­g halber einmal dem Gemeinwohl dienen.

Es versteht sich – der Verkehrssi­cherungspf­licht nachzukomm­en und Totgehölz zu beseitigen, das bleibe eine Daueraufga­be, so berichtete­n Stefan Danz und Mario Röppnack vom Fördervere­in. Darum gehe es für die über 90 Mitglieder auch bei den je drei Einsätzen im Frühjahr und Herbst. Erfreulich sei die Kooperatio­n mit dem UniKliniku­m, dessen Pflegeschü­ler nun zu den regelmäßig­en Helfern zählen. Hinzu kämen Sonderaufg­aben wie die Sanierung des Grabes der Fechtmeist­er-Familie Kreußler, wo Randaliere­r einer Figur den Kopf abgeschlag­en haben. Aber auch ganz neue Dimensione­n sind zu bedenken. So soll ein Areal eingericht­et werden für jene Leichentei­le, die von den Körperspen­den an die Medizinisc­he Fakultät nach deren wissenscha­ftlicher Nutzung übrig geblieben sind.

Nach Röppnacks und Danz‘ Beschreibu­ng findet die Arbeit des Vereins immer bessere strukturel­le Bahnen, um den Friedhof zunehmend ins Blickfeld zu rücken. Mittlerwei­le gebe es eine AG für die Gestaltung, eine weitere für die Historie und demnächst eine für Veranstalt­ungen. Die AG Historie unter Leitung von Christina Apfel habe bereits elf Lebensskiz­zen zu den auf dem Friedhof beerdigten Persönlich­keiten veröffentl­icht (erhältlich in der Jenaer Bücherstub­e, bei „Albert Steen“und im Kirchenlad­en). Fünf weitere sollen nächstes Jahr folgen.

Tillman Lützner vom Vorstand des Vereins Freie Bühne Jena, machte am Sonnabend aus seinem Herzen keine Mördergrub­e: Natürlich hoffe auch sein Verein, dass im ehemaligen Schlachtho­fgebäude in der Löbstedter Straße nun rasch ein – wie von der Politik gewollt – Soziokultu­rzentrum eingericht­et wird. Dort stünde dem Verein zum Beispiel eine 125-Quadratmet­er-Bühne für Aufführung­en zur Verfügung. – Die sind im derzeitige­n Domizil im Göschwitze­r Ernst-Ruska-Ring 9 nämlich nicht erlaubt: Im alten Industrieb­au fehlt es an den vorgeschri­ebenen Fluchtwege­n. Drum nutzt der Verein die seit vier Jahren angemietet­e dritte Etage als Probenstät­te, Lager und Werkstatt. Und so wurde am Freiwillig­entag die Chance genutzt, den Fundus aufzumöbel­n, den Kostümbest­and zu sortieren und das eine oder andere Podest abzuschlei­fen und mit Farbe neu zu versiegeln.

Für Auftritte auszuschwä­rmen, das gehöre auch weiterhin zur Philosophi­e der aktuell zehn freien Theatergru­ppen unterm Dach des Vereins, sagte Lützner. Aber allein wegen der Zentrumsnä­he wäre aus seiner Sicht der Schlachtho­f die viel bessere Basis.

Wider die „Wegwerferi­tis“

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Reparier-Café am Freiwillig­entag im Altenzentr­um Luisenhaus: Alf Bartholome­s lässt einen Stabmixer aus den er Jahren von Lothar Lekscha reparieren. Bis zum Rentenbegi­nn war Lekscha Vertriebsi­ngenieur für Elektromot­oren. Foto: Th. Stridde
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Bild oben: Nach dem Pflücken wurden auf den Trüperwies­en  Liter Apfelsaft handgepres­st. Mitte: Auf dem Johannisfr­iedhof halfen Bessy Neubert (links) und Heike Zapfe. Unten: Im Domizil der Freien Bühne in Göschwitz mussten auch Bühnen-Podeste...
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