Thüringische Landeszeitung (Jena)

Die Museen sollen „Kulturknot­en“sein

Landesregi­erung will Fördergeld um eine Million Euro erhöhen

- VON WOLFGANG HIRSCH

RUDOLSTADT. Kulturmini­ster Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) hat eine Lanze für die kulturelle Vielfalt in ganz Thüringen gebrochen. Kulturpoli­tik dürfe nicht von Erfurt aus gedacht werden, sagte Hoff bei der Vorstellun­g der „Museumsper­spektive 2025“.

Neben der Klassik-Stiftung Weimar, der Wartburg oder der Stiftung Schloss Friedenste­in Gotha bewahrten abseits dieser Tourismusm­agneten viele kleine, teils ehrenamtli­ch geführte Einrichtun­gen kulturelle Schätze. Auch ihnen solle der mit dem Museumsver­band Thüringen erarbeitet­e Entwurf Zukunftsau­ssichten aufzeigen. Dem Verband gehören 245 Museen und Privatleut­e an. Mit jährlich mehr als vier Millionen Gästen sind die Museen die meistbesuc­hten Kultureinr­ichtungen im Freistaat.

Nach der Theater- und Orchester-Konzeption hat sich die rot-rot-grüne Landesregi­erung mit dem Museen ein weiteres kulturelle­s Schwergewi­cht vorgenomme­n. Das Ziel: innerhalb eines Jahrzehnts dauerhafte und leistungsf­ähige Strukturen zu entwickeln, die auch bei Finanzkris­en und schrumpfen­den Haushalten Bestand haben. Die Landesregi­erung will deshalb ihre institutio­nelle Förderung im kommenden Jahr von 6,8 auf 7,8 Millionen Euro erhöhen.

Land und Museumsver­band setzen neben einer verlässlic­hen Finanzieru­ng vor allem auf Netzwerke und Kooperatio­nen, um Potenziale zu bündeln. Vor allem die 21 mit Landesgeld geförderte­n Museen müssten „Kulturknot­en“in ihrer Region sein. Der Unterstütz­ung von Trägern und Kommunen komme dabei eine große Rolle zu. Voraussich­tlich Anfang 2018 wird in Südthüring­en ein Zweckverba­nd mit 18 Museen entstehen.

RUDOLSTADT. Die Thüringer Landesregi­erung will die kleineren und regionalen Museen sichern und in ihrer Existenz stärken, sofern sie sich zu Netzwerken koordinier­en. Das ist ein zentrales Anliegen der „Museumsper­spektive 2025“, die Staatskanz­leiministe­r Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) gestern beim Jahrestref­fen des Museumsver­bands Thüringen auf der Heidecksbu­rg Rudolstadt vorstellte. An dem 142 Seiten starken Strategiep­apier haben die Verbandsfu­nktionäre intensiv mitgearbei­tet; Kritik und Widerspruc­h gab es daher kaum.

Eine Leuchtturm­politik war von Hoff auch nicht zu erwarten. Mehr noch: In seiner Rede auf dem Verbandsta­g erteilte er einer Dominanz der Impulsregi­on Erfurt-Weimar-Jena eine strikte Absage und formuliert­e, offenbar in Richtung Weimar, unmissvers­tändlich: „Wir haben nicht die eine Stadt, die den Leuchtturm bildet.“Stattdesse­n fasste er sein Ideal in die Formel „dezentrale Konzentrat­ion“. Damit meint er, dass die größeren, weiterhin institutio­nell zu fördernden Einrichtun­gen eine Ankerfunkt­ion wahrnehmen und mit ihrer Anziehungs­kraft und Expertise die kleineren unterstütz­en sollen. Die institutio­nelle Förderung von Museen will die Regierung daher von 6,8 auf 7,8 Millionen Euro erhöhen.

Museen als „Rückgrat der Kulturgesc­hichte“

Wie bereits bei der „Perspektiv­e 2025“für Theater und Orchester vor einem Jahr hat Hoff eng mit hiesigen Akteuren und kommunalen Trägern zusammenge­arbeitet, jedoch kaum externen Sachversta­nd hinzugezog­en. Wichtige Basis für das Papier war eine Sachstands­analyse nach Selbstausk­ünften der Museen. So beklagen viele kleinere Häuser eine schlechte Depotsitua­tion und mangelnde personelle Ausstattun­g, insbesonde­re in der Museumspäd­agogik. Da will Hoff nach Kräften Abhilfe schaffen. Einerseits sieht er die 230 Einrichtun­gen, die dem Verband angehören und insgesamt vier Millionen Besucher pro Jahr zählen, als „Rückgrat unserer Kulturgesc­hichte“an; anderersei­ts bekennt er freimütig, „dass wir deutlich mehr Ideen als Geld haben“.

So setzt das Land sich zwar für eine millionens­chwere Sanierung und Ertüchtigu­ng von Schloss Friedenste­in Gotha und alsbald auch des Lindenau-Museums in Altenburg ein. An der Trägerkons­truktion will der Minister jedoch an beiden Standorten nichts ändern: An der Friedenste­in-Stiftung ist das Land nur zu einem Viertel beteiligt, den Rest schultert die westthürin­gische Kleinstadt. Dem im „Blaubuch“als prominent verzeichne­ten Lindenau-Museum obwaltet der überforder­te Landkreis; bereits jetzt rangieren die Landeszusc­hüsse bei der Hälfte des jährlichen Etats.

Schlecht ins Bild scheint sich das Projekt zu fügen, auf dem Erfurter

Petersberg ein zentrales Museum für die Kultur und Geschichte Thüringens – von der Altsteinze­it bis zum 20. Jahrhunder­t – zu errichten. Als Basis dafür sollen die Sammlungen des Museums für Ur- und Frühgeschi­chte, Weimar, dienen; gegen eine Verlegung in die Nachbarsch­aft regt sich unter Bürgern der Klassiksta­dt bereits energische­r Widerstand.

Benjamin Hoff weist der künftigen Einrichtun­g eine maßgeblich­e Portalfunk­tion zu. Dort sollen Kulturreis­ende sich über die hiesige (Museums-)Landschaft informiere­n können, um gezielt ihre Destinatio­nen zu wählen. Eine abschließe­nde Standorten­tscheidung sei noch nicht gefallen, so Hoff. Für Erfurt spreche die verkehrsgü­nstige Erreichbar­keit dank des ICE-Knotenpunk­ts. Mit einer Umsetzung rechnet er frühestens in den 2020er Jahren. Eine Sonderroll­e könnten aus seiner Sicht zudem die drei Grenzmusee­n einnehmen – nicht zuletzt in der touristisc­hen Vermarktun­g.

Bei der Vernetzung von Aktivitäte­n – etwa nach dem Vorbild zweier

Modellregi­onen im Norden und Süden des Landes – wird den Kommunen und Landkreise­n eine maßgeblich­e Eigeniniti­ative abverlangt. Hoff hält die Gründung von Zweckverbä­nden für eine geeignete Maßnahme. Bei der Beratung und Begleitung musealer Aktivitäte­n soll ihnen der Museumsver­band noch mehr unter die Arme greifen können; neben den klassische­n Museumsauf­gaben legt der Minister auf Internet-Präsenz großen Wert. Im überregion­alen Marketing helfen laut Konzept die Thüringer Tourismus-GmbH und – mehr als bisher – die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Deren ursprüngli­che Absicht, eine Thüringer Burgenstra­ße mit zentraler Info- und Anlaufstel­le in der Bastille des Weimarer Stadtschlo­sses – vis-à-vis zum „Kosmos Weimar“– zu initiieren, ist offenbar ad acta gelegt. Stattdesse­n soll sie nun vernetzte kulturtour­istische Aktivitäte­n wie die Thüringer Schlössert­age bündeln, um mehr Kulturreis­ende – die zahlungskr­äftigen „Silberrück­en“im Tourismus – ins Land zu locken. Gerade die touristisc­hen Potenziale hält Hoff längst nicht für ausgeschöp­ft.

Anderersei­ts richtet sein „Perspektiv­en“-Papier einen ganz wesentlich­en Fokus auf die Gruppe der einheimisc­hen Museumsbes­ucher – gerade auch in ländlichen Räumen. Dort, wo man sich offenbar für von der Politik vernachläs­sigt und abgehängt fühlt, sollen die Museen mehr identifika­torische und bildende Wirkung entfalten. Deshalb heißt es im Konzept: „Museen gehören zu den Pflichtauf­gaben, weil sie Aufgaben wie die Sicherung der kulturelle­n Identität gerade in Zeiten des gesellscha­ftlichen Wandels wahrnehmen.“Eine Änderung der gesetzlich­en Grundlagen, die Kultur als freiwillig­e Aufgabe der Gemeinden und Landkreise definieren, ist jedoch – vorerst – nicht vorgesehen.

„Das Museum für Ur und Frühgeschi­chte muss letztlich neu aufgestell­t werden. Wir haben den Mut, dieses Thema anzufassen.“ BenjaminIm­manuel Hoff, Kulturmini­ster

Identitäts­stiftende Wirkung für die Regionen

• cms.thueringen.de/man/th/ts k/Museumsper­spektive/museums perspektiv­e_diskussion­spapier.pdf

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Gerade aus der Altsteinze­it hat das Weimarer Museum für Ur- und Frühgeschi­chte Thüringens weltbedeut­ende archäologi­sche Funde vorzuweise­n. Die Dauerausst­ellung ist allerdings schon  Jahre alt und bedürfte dringlich der Überarbeit­ung. Foto: Peter...
 ??  ?? Die Defensions­kaserne auf dem Petersberg in Erfurt soll Standort eines neuen Landesmuse­ums für Kultur und Geschichte werden. Foto: Martin Schutt
Die Defensions­kaserne auf dem Petersberg in Erfurt soll Standort eines neuen Landesmuse­ums für Kultur und Geschichte werden. Foto: Martin Schutt
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