Thüringische Landeszeitung (Jena)
Steuergeld in sechs Fällen verschwendet
Das neue „Schwarzbuch“des Steuerzahlerbundes listet sechs Fälle von Verschwendung in Thüringen auf
ERFURT. Von den 118 Fällen von Steuergeldverschwendung, die das neue „Schwarzbuch“des Bundes der Steuerzahler auflistet, betreffen sechs Thüringen. Angeprangert wird beispielsweise der Abriss eines Parkhauses in Arnstadt, das erst 1997/1998 im Wohngebiet Rabenhold errichtet worden war. Die Interessenvertretung der Steuerzahler kritisiert aber auch, dass die Sanierung des Mühlhäuser Amtsgerichts zwei Millionen Euro mehr kostete und gut ein Jahr länger dauerte als geplant. Landesvorsitzender Justus Kehrl sagte, dass der laxe Umgang mit dem Geld der Steuerzahler nicht „signifikant besser“werde.
ERFURT. Die Frage nach dem Nutzen eines Fahrradhelms kann jedes Kind beantworten. Eigentlich. Die Bundesländer Thüringen und Baden-Württemberg aber wollten es genauer wissen. Weil sie für die Einführung einer Helmpflicht sind, gaben sie eine Studie mit dem Titel „Sicherheitspotenziale durch Fahrradhelme“in Auftrag. Und die Gutachter geben sich wahrlich alle Mühe, auf 371 Seiten die Effekte von Fahrradhelmen und einer Helmpflicht darzulegen. Doch ein Schnäppchen war ihre Studie nicht: 221 000 Euro kostete das Papier. Knapp ein Zehntel davon bezahlten die Thüringer. Für den Bund der Steuerzahler, der diesen Fall in sein neues „Schwarzbuch“zur Verschwendung von Steuergeld aufnahm, ein typischer Fall von „Gutachteritis“. Und ein Grund mehr für seine Feststellung, dass viel zu viel Geld für externe Gutachten ausgegeben wird. „Es ist höchste Zeit, diese Praxis zu stoppen“, findet der Bund.
Gemessen an anderen Fällen von Steuergeldverschwendung nehmen sich die dafür ausgegebenen 20 000 Euro der Thüringer Steuerzahler aber wie Peanuts aus. So fallen derzeit Kosten in Höhe von rund 340 000 Euro jährlich für das Badehaus in Masserberg an, das Anfang 2016 geschlossen wurde. Grund dafür waren die Betriebsdefizite, die die Kommune überforderten. Nach Redaktionsschluss für das neue „Schwarzbuch“zeichnete sich hier allerdings Licht am Ende des Tunnels ab: Der Klinikverbund Regiomed kündigte Ende September an, die Reha-Klinik Masserberg übernehmen zu wollen. Damit könnte sich auch für das geschlossene Badehaus eine Lösung ergeben.
Die Stadt Erfurt ist mit gleich zwei Fällen im neuen „Schwarzbuch“präsent: So soll ein Schaden von rund 30 000 Euro dadurch entstanden sein, dass die Stadt ein Grundstück im Ortsteil Möbisburg veräußerte, obwohl dafür ein Bebauungsverbot bestand. Stadtsprecher Henry Köhlert weist jedoch den Vorwurf zurück, die Stadt habe einen Käufer absichtlich ins offene Messer laufen lassen.
Zwar habe für das Areal in der Trinkwasserschutzzone tatsächlich ein solches Bebauungsverbot bestanden. „Doch die bisherige Praxis war die, dass – wenn ein Bauantrag gestellt wurde – die Untere Wasserbehörde eine Einzelfallentscheidung treffen und eine Befreiung vom Verbot erteilen konnte.“Die Stadt habe das Areal daher in dem „guten Glauben“verkauft, dass das auch in diesem Fall geschehe.
Dann aber habe die Obere Wasserbehörde diese Vorgehensweise untersagt. Und auch die Prüfkriterien für ein standortbezogenes Gutachten, das in diesem Fall unabdingbar sei, habe sie erst im November 2016 veröffentlicht. Das alles habe sich ungünstigerweise zeitlich mit dem Verkauf und dem Bauantrag überlagert.
Auch die Vorwürfe des Steuerzahlerbundes in Bezug auf das zweite Fahrradparkhaus am Erfurter Hauptbahnhof will der Stadtsprecher nicht gelten lassen. Der Steuerzahlerbund hatte nicht nur die um 58 000 Euro höheren Baukosten moniert, sondern auch, dass die Betreibung teurer sei als geplant. Da die Stadt bislang keinen Betreiber fand, müsse sie die Betriebskosten – zirka 300 statt der prognostizierten 100 Euro monatlich – nun selbst aufbringen.
Der Stadtsprecher verweist darauf, dass das Radparkhaus sehr gut angenommen wird – „es ist ein voller Erfolg“. Er verhehlt aber auch seine Verwunderung darüber nicht, dass der Steuerzahlerbund die Betriebskosten schon beziffern will, „obwohl wir noch mitten in der Prüfung stecken“.
Da nicht die Stadt, sondern zwei kommunale Wohnungsunternehmen Bauherren eines Parkhauses in Arnstadt waren, das mangels Auslastung 2016 nach 18 Jahren wieder abgerissen wurde, hält sich Arnstadts Vize-Bürgermeister Ulrich Böttcher mit einer Wertung zu diesem ebenfalls angeprangerten Fall zurück. Doch er gibt zu bedenken, dass zum Zeitpunkt der Errichtung die Straßen des Wohngebietes Rabenhold derart zugeparkt gewesen seien, dass nicht einmal die Feuerwehr mehr durchkam. Niemand habe damals voraussehen können, dass sich das Wohngebiet durch Wegzüge derart leere, dass das Parkhaus Jahre später überflüssig sei. Allerdings summiert sich der Schaden in diesem Fall nach Angaben des Steuerzahlerbundes auf 1,37 Millionen Euro.
Dass der Steuerzahler auch die Mehrkosten für die Sanierung des Mühlhäuser Amtsgerichts schultern muss (2 Millionen Euro), das noch dazu gut ein Jahr später als geplant fertig wurde, hält der Steuerzahlerbund ebenfalls für inakzeptabel. Das Thüringer Infrastrukturministerium als Bauherr indes entgegnet, dass es für die Kostensteigerung und den Bauverzug in diesem Falle konkrete Gründe gab, die die Bauverwaltung nicht habe beeinflussen können. Dazu gehören eine Firmeninsolvenz und die Kündigung einer zweiten Firma wegen Leistungsverweigerung. Dazu kamen unter anderem der Anstieg der Baupreise um rund 610 000 Euro, Mehrkosten durch das vom örtlichen Bauordnungsamt anstelle des Satteldachs geforderte Flachdach (120 000 Euro) und Maßnahmen für erhöhte Sicherheitsanforderungen (175 000 Euro), die erst nach der Planung beschlossen wurden. „Die Landesregierung legt großen Wert darauf, dass bei ihren Bauvorhaben außerplanmäßige Kostensteigerungen vermieden werden“, betont ein Ministeriumssprecher. Bei den drei Neubauten an der Erfurter LöberfeldKaserne sei das Budget von 15 Millionen Euro sogar um zehn Prozent unterschritten worden.
Verantwortliche sind sich keiner Schuld bewusst