Thüringische Landeszeitung (Jena)

Senioren für Impfung gegen Grippe gewinnen

Flyer, Plakate und das Internet: In Thüringen startet eine groß angelegte Kampagne – Vorurteile müssen abgebaut werden

- VON SEBASTIAN HAAK thueringen-impft.de

ERFURT. Nicht nur in Sachen Lebenserfa­hrung unterschei­det sich die Generation 60plus von jüngeren Menschen. Sie ist auch anfälliger für Krankheite­n, gerade auch für Infektione­n, an denen nach Angaben von Medizinern jedes Jahr in Deutschlan­d etwa 60 000 Menschen vorzeitig sterben. Weshalb es für ältere Menschen eine ausdrückli­che Empfehlung der ständigen Impfkommis­sion gibt, sich jedes Jahr aufs Neue gegen Grippe impfen zu lassen. Bloß: Nicht einmal 50 Prozent der Thüringer im entspreche­nden Alter folgen dieser Empfehlung, wie das RobertKoch-Institut weiß. Was tun?

Die Antwort, die ein breites Bündnis von Medizinern, Kassen und staatliche­n Einrichtun­gen auf diese Frage, gibt lautet: ältere Menschen mit Hilfe einer Kampagne noch viel mehr über die Grippeschu­tzimpfung und ihren Nutzen aufklären. Sowie über den Nutzen auch vieler anderer Impfungen. Und mit all dem aufräumen, was bei vielen Menschen an Halbwissen oder auch Falschinfo­rmationen dazu vorhanden ist. Der Titel dieser Kampagne: „Impfen 60+“.

Nun könnte man freilich kritisiere­n, dass diesem breiten Bündnis nichts Besseres eingefalle­n sei, als mit der klassische­n Kampagne auf ein Aufklärung­sformat zu setzen, das in verschiede­nsten Zusammenhä­ngen immer wieder benutzt wird, sagt die Koordinato­rin des Projekts, Cornelia Betsch, die an der Universitä­t Erfurt arbeitet. Allerdings hätten Studien mit Thüringern gezeigt, dass es bei vielen Menschen eben wirklich an Wissen über Impfungen mangele

Cornelia Betsch, Uni Erfurt

– und dass der wichtigste Grund dafür sei, dass sich immerhin jeder Zweite nicht gegen eine Grippe impfen lässt, die eben doch viel gefährlich­er ist als eine gewöhnlich­e Erkältung.

Andere Thesen, mit denen die Forscher versuchten, diese Impfmüdigk­eit zu erklären, hätten sich nicht bestätigt, sagt Betsch. Die Idee etwas, dass es

Menschen gerade im ländlichen Raum nur schwer möglich sei, zum Arzt zu kommen und das die Impfbereit­schaft senke, sei offenbar nicht zutreffend. Die Kampagne fährt deshalb zweigleisi­g und ist doch immer darauf ausgelegt, Wissen zu vermitteln und Vorurteile dem Impfen gegenüber abzubauen. Einerseits liegen nun thüringenw­eit etwa 6000 Flyer in Arztpraxen und Apotheken aus, die Ältere zum Impfen bewegen sollen. Material, das nach Angaben von Regina Hanke jederzeit nachgedruc­kt werden kann, wenn es vergriffen sein sollte. Hanke hat vor allem an der grafischen und technische­n Umsetzung der Kampagne mitgearbei­tet. Zudem soll in Bussen, mit Großplakat­en, mit Radiospots und auch Zeitungsan­zeigen für Impfen im reifen Alter geworben werden. Die Kosten alleine für das Werbemater­ial beziffert Hanke auf etwa 120 000 Euro innerhalb von zwei Jahren.

Anderersei­ts ist die Webseite thueringen-impft.de online, die sich allerdings nicht nur an Senioren, sondern an Menschen in jeder Altersgrup­pe richtet. Auch dort geht es vor allem darum, Menschen die Vorteile, aber auch Risiken des Impfens zu erklären; nicht nur gegen Grippe, sondern gegen alle erdenklich­en Krankheite­n. Quellen für die Webseite, sagt Hanke, seien nur Bundesinst­itute oder zum Beispiel Studien, die unabhängig von der Pharmaindu­strie entstanden seien. Die Webseite verfügt über große Schrift und großen Zeilenabst­and, zudem gibt es die Möglichkei­t, sich den Text vorlesen zu lassen.

Thüringens Gesundheit­sministeri­n Heike Werner (Linke) wirbt zum Start der Kampagne dafür, bei der Abwägung von Chancen und Risiken von Impfungen nicht nur an die eigene Gesundheit, sondern auch an die von anderen zu denken. „Wer sich impfen lässt, der schützt nicht nur sich selbst, sondern auch Familie, Freunde, Bekannte“, sagt sie. Das gelte umso mehr für Menschen, die mit Menschen zu tun hätten, die sich aufgrund von Vorerkrank­ungen nicht gegen bestimmte Krankheite­n immunisier­en lassen könnten. Aus Befragunge­n von Thüringern im Zusammenha­ng mit der Erarbeitun­g der Kampagne, sagt Hanke, wisse man, dass gerade ältere Menschen diesem Argument besonders zugänglich seien.

„Es mangelt bei vielen Menschen an Wissen über Impfungen – und das ist der wichtigste Grund, dass sich immerhin jeder Zweite nicht gegen eine Grippe impfen lässt.“

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