Thüringische Landeszeitung (Jena)
Senioren für Impfung gegen Grippe gewinnen
Flyer, Plakate und das Internet: In Thüringen startet eine groß angelegte Kampagne – Vorurteile müssen abgebaut werden
ERFURT. Nicht nur in Sachen Lebenserfahrung unterscheidet sich die Generation 60plus von jüngeren Menschen. Sie ist auch anfälliger für Krankheiten, gerade auch für Infektionen, an denen nach Angaben von Medizinern jedes Jahr in Deutschland etwa 60 000 Menschen vorzeitig sterben. Weshalb es für ältere Menschen eine ausdrückliche Empfehlung der ständigen Impfkommission gibt, sich jedes Jahr aufs Neue gegen Grippe impfen zu lassen. Bloß: Nicht einmal 50 Prozent der Thüringer im entsprechenden Alter folgen dieser Empfehlung, wie das RobertKoch-Institut weiß. Was tun?
Die Antwort, die ein breites Bündnis von Medizinern, Kassen und staatlichen Einrichtungen auf diese Frage, gibt lautet: ältere Menschen mit Hilfe einer Kampagne noch viel mehr über die Grippeschutzimpfung und ihren Nutzen aufklären. Sowie über den Nutzen auch vieler anderer Impfungen. Und mit all dem aufräumen, was bei vielen Menschen an Halbwissen oder auch Falschinformationen dazu vorhanden ist. Der Titel dieser Kampagne: „Impfen 60+“.
Nun könnte man freilich kritisieren, dass diesem breiten Bündnis nichts Besseres eingefallen sei, als mit der klassischen Kampagne auf ein Aufklärungsformat zu setzen, das in verschiedensten Zusammenhängen immer wieder benutzt wird, sagt die Koordinatorin des Projekts, Cornelia Betsch, die an der Universität Erfurt arbeitet. Allerdings hätten Studien mit Thüringern gezeigt, dass es bei vielen Menschen eben wirklich an Wissen über Impfungen mangele
Cornelia Betsch, Uni Erfurt
– und dass der wichtigste Grund dafür sei, dass sich immerhin jeder Zweite nicht gegen eine Grippe impfen lässt, die eben doch viel gefährlicher ist als eine gewöhnliche Erkältung.
Andere Thesen, mit denen die Forscher versuchten, diese Impfmüdigkeit zu erklären, hätten sich nicht bestätigt, sagt Betsch. Die Idee etwas, dass es
Menschen gerade im ländlichen Raum nur schwer möglich sei, zum Arzt zu kommen und das die Impfbereitschaft senke, sei offenbar nicht zutreffend. Die Kampagne fährt deshalb zweigleisig und ist doch immer darauf ausgelegt, Wissen zu vermitteln und Vorurteile dem Impfen gegenüber abzubauen. Einerseits liegen nun thüringenweit etwa 6000 Flyer in Arztpraxen und Apotheken aus, die Ältere zum Impfen bewegen sollen. Material, das nach Angaben von Regina Hanke jederzeit nachgedruckt werden kann, wenn es vergriffen sein sollte. Hanke hat vor allem an der grafischen und technischen Umsetzung der Kampagne mitgearbeitet. Zudem soll in Bussen, mit Großplakaten, mit Radiospots und auch Zeitungsanzeigen für Impfen im reifen Alter geworben werden. Die Kosten alleine für das Werbematerial beziffert Hanke auf etwa 120 000 Euro innerhalb von zwei Jahren.
Andererseits ist die Webseite thueringen-impft.de online, die sich allerdings nicht nur an Senioren, sondern an Menschen in jeder Altersgruppe richtet. Auch dort geht es vor allem darum, Menschen die Vorteile, aber auch Risiken des Impfens zu erklären; nicht nur gegen Grippe, sondern gegen alle erdenklichen Krankheiten. Quellen für die Webseite, sagt Hanke, seien nur Bundesinstitute oder zum Beispiel Studien, die unabhängig von der Pharmaindustrie entstanden seien. Die Webseite verfügt über große Schrift und großen Zeilenabstand, zudem gibt es die Möglichkeit, sich den Text vorlesen zu lassen.
Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) wirbt zum Start der Kampagne dafür, bei der Abwägung von Chancen und Risiken von Impfungen nicht nur an die eigene Gesundheit, sondern auch an die von anderen zu denken. „Wer sich impfen lässt, der schützt nicht nur sich selbst, sondern auch Familie, Freunde, Bekannte“, sagt sie. Das gelte umso mehr für Menschen, die mit Menschen zu tun hätten, die sich aufgrund von Vorerkrankungen nicht gegen bestimmte Krankheiten immunisieren lassen könnten. Aus Befragungen von Thüringern im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Kampagne, sagt Hanke, wisse man, dass gerade ältere Menschen diesem Argument besonders zugänglich seien.
„Es mangelt bei vielen Menschen an Wissen über Impfungen – und das ist der wichtigste Grund, dass sich immerhin jeder Zweite nicht gegen eine Grippe impfen lässt.“