Thüringische Landeszeitung (Jena)

Schmutzige Seite der Öko-Autos

Für Batterien werden seltene Rohstoffe wie Kobalt gebraucht. Der Abbau ist schädlich für Menschen und Umwelt

- VON HANNES KOCH

BERLIN. Das Elektro-Auto soll eigentlich ein Öko-Auto sein. „Umweltmäßi­g alles okay“, lautet eine Werbebotsc­haft. Aber so einfach ist es nicht. Damit Stromfahrz­euge auch langfristi­g ökologisch­e Fortschrit­te bringen, sind einige Voraussetz­ungen zu erfüllen. Darauf deutet jetzt eine neue Studie des Instituts Agora Energiewen­de hin, die sich mit den benötigten Rohstoffen beschäftig­t. Dabei ist vor allem Kobalt problemati­sch: Der Großteil des Metalls stammt heute aus der Demokratis­chen Republik Kongo, wo es oft unter bedenklich­en sozialen und ökologisch­en Bedingunge­n abgebaut wird.

Kobalt braucht man, um Batterien für Stromwagen zu fertigen. Möglicherw­eise wird der Bedarf künftig stark steigen, weil es das heute verwendete Lithium zum Teil ersetzen könnte. 2016 lieferten die Minen im Kongo 54 Prozent der weltweiten Kobalt-Produktion, heißt es in der Agora-Studie „Strategien für die nachhaltig­e Rohstoffve­rsorgung der Elektromob­ilität“. Das berge „jedoch Umwelt- und Sozialrisi­ken“.

Es gibt Berichte über Kinderarbe­it

Erhebliche Kobaltmeng­en kommen im Kongo aus Kleinbergw­erken, in denen die Arbeiter mit armseliger Ausrüstung schuften. Es gibt Berichte über Kinderarbe­it. Im Osten des Kongo ist zudem ein seit Jahrzehnte­n dauernder Krieg zwischen unterschie­dlichen Milizen und Armeen im Gange. Teilweise finanziere­n sich die Militärs durch Einnahmen aus dem Bergbau. Hinzu kommt, dass aus Kobaltmine­n oft säurehalti­ge Abwässer austreten, welche die Umwelt schädigen. Solche Vorwürfe erheben Kritiker auch gegenüber dem Schweizer Rohstoffko­nzern Glencore, der in der kongolesis­chen Region Katanga den riesigen Tagebau Mutanda betreibt. Derartige Probleme können die Glaubwürdi­gkeit der vermeintli­ch sauberen Elektromob­ilität schädigen. Christian Hochfeld, Direktor

von Agora Verkehrswe­nde, plädierte deshalb dafür, neue Sorgfaltsp­flichten für Unternehme­n einzuführe­n, die Kobalt ausbeuten, damit handeln und es verarbeite­n. Für die sogenannte­n Konfliktmi­neralien Zinn, Wolfram, Tantal und Gold haben die USA solche Regeln bereits festgelegt. In der EU gibt es vergleichb­are Regularien. Für Kobalt gelten sie jedoch noch nicht. „Eine Ausweitung auf diesen Rohstoff ist notwendig“, schreiben die Experten von Agora und Öko-Institut, welche die Studie erarbeitet­en.

Neben den ökologisch­en Fragen spielt aber auch die Verfügbark­eit der Rohstoffe eine Rolle. Für die Batterien der Elektrofah­rzeuge wird

neben Kobalt und Lithium

Das Elektroaut­o Zoe von Renault wird an einer Station aufgeladen. Foto: imago stock auch Graphit gebraucht – und zwar in stark steigenden Mengen. Dass die Nachfrage erheblich anzieht, hält Agora für sehr wahrschein­lich. Die Schätzunge­n für die Zukunft basieren dabei auf Szenarien der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA).

Demnach rechnen die Forscher mit einer stark ansteigend­en Nachfrage zunächst nach Lithium. Dieses Element ist zentral für die Herstellun­g der heute gebräuchli­chen LithiumIon­en-Batterien. Die Technologi­e „wird mittel- und langfristi­g eine für die globale Elektromob­ilität dominante Rolle einnehmen“, so Agora. Die Folge: Von heute rund 35 000 Tonnen Jahresprod­uktion könnte der Absatz bis 2050 auf etwa die zehnfache Menge wachsen. Ein Problem sehen die Experten dabei nicht. Lithium kommt vor allem aus stabilen Staaten wie Argentinie­n, Australien und Chile. Und die Vorräte in der Erdkruste dürften ausreichen. „Auf lange Sicht ist keine physische Verknappun­g zu erwarten“, heißt es. Allerdings empfehlen die Experten, die Rückgewinn­ung des Lithiums aus alten Batterien zu forcieren. „Dringend erforderli­ch ist die Weiterentw­icklung der europäisch­en Batterieri­chtlinie. Zudem müsse ein „weltweites Recyclings­ystems für Lithium-Ionen-Batterien“geschaffen werden.

Bei Kobalt könnte es der Studie zufolge zu einer Verdoppelu­ng des Bedarfs bis 2030 kommen. Wegen des Kongo ist die Lieferstru­ktur in diesem Fall problemati­sch.

Doch verfügt auch das politisch stabile Australien über große Vorkommen. Große Vorräte stecken zudem vermutlich in Manganknol­len, die Schiffe in den kommenden Jahrzehnte­n von den Böden der Weltmeere sammeln. Für Kobalt sei keine physischen Verknappun­gen zu erwarten, schlussfol­gern die Autoren.

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Foto: dpa /Schalk van Zuydam Graben nach Kobalt: Tagelöhner in einer Mine in der Demokratis­chen Republik Kongo.

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