Thüringische Landeszeitung (Jena)
Opel bietet sechsstellige Abfindung
Bundesregierung springt den Arbeitnehmern zur Seite und spricht mit der Konzernführung in Paris
EISENACH. Der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber ist erbost über den französischen PSA-Konzern: „Das ist eine Erpressung, die hier läuft“, sagt der Gewerkschafter, der bei den Sanierungsverhandlungen für die deutschen Opel-Werke auf der Arbeitnehmerseite die Fäden führt. Tausende Arbeitsplätze stehen in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern auf der Kippe, weil ein halbes Jahr nach Vorstellung des Sanierungsplans „Pace“immer noch unklar geblieben ist, wo und mit wie vielen Leuten Opel künftig welche Autos bauen will.
„Wir haben momentan für rund 17 000 Beschäftigte keine Aussagen zu ihrer Zukunft“, sagte der Chef des Gesamtbetriebsrates, Wolfgang Schäfer-Klug, gestern in Frankfurt. Die Geschäftsführung habe lediglich die Fertigung eines Modelles für das Werk Eisenach, eines Motors für den Standort Kaiserslautern und einen Auftrag für das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim angekündigt. Das sichere zusammen gerade einmal 1800 der derzeit 19 000 Arbeitsplätze bei Opel. Im Gegenzug fordere der neue Eigentümer den Verzicht aller Opelaner auf die jüngste Lohnerhöhung um 4,3 Prozent und das Urlaubsund Weihnachtsgeld.
Von Zukunftssicherung für Arbeitsplätze bei Opel sei in den Gesprächen mit PSA-Chef Carlos Tavares plötzlich keine Rede mehr, sagte Huber. Die Investitionen für eine Fertigung des Modells Grandland in Eisenach wolle PSA nur genehmigen, wenn vorher alle Opel-Beschäftigten auf ihre Lohnsteigerungen und Zuschläge verzichten.
Und selbst dann solle in Eisenach eine Stückzahl gefertigt werden, die das Werk mit einer Jahreskapazität von 180 000 Fahrzeugen nicht einmal zur Hälfte auslaste, so Huber. „Das ist kein Zukunftskonzept, sondern der Tod von Eisenach“, zeigt er sich überzeugt, dass die Fabrik unter diesen Umständen über kurz oder lang das Schicksal des Standortes Bochum teilen werde, der noch zu GM-Zeiten geschlossen wurde.
Opel-Chef Michel Lohscheller beharrt jedoch darauf, mit seinen Angeboten die übernommenen Zusagen des alten Eigentümers General Motors sogar zu übertreffen. Längst findet beim einstigen deutschen AutoMarktführer aber eine Abstimmung mit den Füßen statt. Der Personalabbau läuft schneller, als es den Arbeitnehmervertretern lieb ist. Nach Berechnungen Schäfer-Klugs ist bereits sicher, dass mehr als 4000 Beschäftigte das Unternehmen bis zum Jahr 2020 früher verlassen werden. Damit würden die ursprünglich intern geäußerten Forderungen des neuen Mutterkonzerns mehr als erfüllt, der angeblich rund 3700 Leute vorzeitig loswerden wollte.
Opel lockt mit Abfindungen, Altersteilzeit und Vorruhestand und sorgt sich offenbar wenig darum, dass Leute mit Schlüsselqualifikationen das Unternehmen verlassen könnten. Allein den Vorruhestand hätten bereits mehr als 2500 Beschäftigte gewählt, sagt der Betriebsrat. Gesamtbetriebsratschef Wolfgang SchäferKlug
Weitere rund 2000 kämen dafür infrage und eine unbekannte Zahl weiterer Beschäftigter könnte anderweitige Abfindungen von bis zu 275 000 Euro wählen.
Während die Menschen massenhaft die Abfindungsangebote wahrnehmen, bangt SchäferKlug um die Opel-Zukunft. Nach seinem Eindruck und internen Vorgaben zu den Personalkosten wolle PSA die anstehende Sanierung vor allem mit Abbaumaßnahmen in den deutschen Werken erreichen.
Während in Spanien, Polen und Großbritannien nach gewerkschaftlichen Zugeständnissen Investitionszusagen verteilt wurden, die teils sogar mit Produktionsausweitungen verbunden sind, kommen PSA und IG Metall in Deutschland nicht voran. Die Metaller ließen durchklingen, dass sie einen Abbau von 450 Jobs in Eisenach und rund 1200 Ingenieuren in Rüsselsheim akzeptieren könnten. Sie wollen aber wissen, wohin die Reise geht. „Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich PSA nur eine paar Billigstandorte und eine deutsche Marke gekauft hat“, sagt Schäfer-Klug.
Die Bundesregierung springt den Arbeitnehmern zur Seite. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Wirtschaftsminister Peter Altmaier seien mit der Konzernführung in Paris im Gespräch, sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums am Freitag in Berlin. Heil wolle, dass „alles Menschenmögliche“getan werde, damit Beschäftigung und Standorte in Deutschland gesichert würden. PSAChef Carlos Tavares, bekannt als harter Sanierer, sollte persönlich ans Telefon geholt werden, hieß es von Insidern.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolge die Gespräche genau, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundesregierung und Länder müssten alles tun, „damit Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland gesichert sind“. (mit dpa und rtr)
„Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich PSA nur ein paar Billigstandorte gekauft hat.“