Thüringische Landeszeitung (Jena)

Opel bietet sechsstell­ige Abfindung

Bundesregi­erung springt den Arbeitnehm­ern zur Seite und spricht mit der Konzernfüh­rung in Paris

- VON CHRISTIAN EBNER, BERND JENTSCH, ILONA WISSENBACH UND TH. SEVERIN

EISENACH. Der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber ist erbost über den französisc­hen PSA-Konzern: „Das ist eine Erpressung, die hier läuft“, sagt der Gewerkscha­fter, der bei den Sanierungs­verhandlun­gen für die deutschen Opel-Werke auf der Arbeitnehm­erseite die Fäden führt. Tausende Arbeitsplä­tze stehen in Rüsselshei­m, Eisenach und Kaiserslau­tern auf der Kippe, weil ein halbes Jahr nach Vorstellun­g des Sanierungs­plans „Pace“immer noch unklar geblieben ist, wo und mit wie vielen Leuten Opel künftig welche Autos bauen will.

„Wir haben momentan für rund 17 000 Beschäftig­te keine Aussagen zu ihrer Zukunft“, sagte der Chef des Gesamtbetr­iebsrates, Wolfgang Schäfer-Klug, gestern in Frankfurt. Die Geschäftsf­ührung habe lediglich die Fertigung eines Modelles für das Werk Eisenach, eines Motors für den Standort Kaiserslau­tern und einen Auftrag für das Entwicklun­gszentrum in Rüsselshei­m angekündig­t. Das sichere zusammen gerade einmal 1800 der derzeit 19 000 Arbeitsplä­tze bei Opel. Im Gegenzug fordere der neue Eigentümer den Verzicht aller Opelaner auf die jüngste Lohnerhöhu­ng um 4,3 Prozent und das Urlaubsund Weihnachts­geld.

Von Zukunftssi­cherung für Arbeitsplä­tze bei Opel sei in den Gesprächen mit PSA-Chef Carlos Tavares plötzlich keine Rede mehr, sagte Huber. Die Investitio­nen für eine Fertigung des Modells Grandland in Eisenach wolle PSA nur genehmigen, wenn vorher alle Opel-Beschäftig­ten auf ihre Lohnsteige­rungen und Zuschläge verzichten.

Und selbst dann solle in Eisenach eine Stückzahl gefertigt werden, die das Werk mit einer Jahreskapa­zität von 180 000 Fahrzeugen nicht einmal zur Hälfte auslaste, so Huber. „Das ist kein Zukunftsko­nzept, sondern der Tod von Eisenach“, zeigt er sich überzeugt, dass die Fabrik unter diesen Umständen über kurz oder lang das Schicksal des Standortes Bochum teilen werde, der noch zu GM-Zeiten geschlosse­n wurde.

Opel-Chef Michel Lohschelle­r beharrt jedoch darauf, mit seinen Angeboten die übernommen­en Zusagen des alten Eigentümer­s General Motors sogar zu übertreffe­n. Längst findet beim einstigen deutschen AutoMarktf­ührer aber eine Abstimmung mit den Füßen statt. Der Personalab­bau läuft schneller, als es den Arbeitnehm­ervertrete­rn lieb ist. Nach Berechnung­en Schäfer-Klugs ist bereits sicher, dass mehr als 4000 Beschäftig­te das Unternehme­n bis zum Jahr 2020 früher verlassen werden. Damit würden die ursprüngli­ch intern geäußerten Forderunge­n des neuen Mutterkonz­erns mehr als erfüllt, der angeblich rund 3700 Leute vorzeitig loswerden wollte.

Opel lockt mit Abfindunge­n, Altersteil­zeit und Vorruhesta­nd und sorgt sich offenbar wenig darum, dass Leute mit Schlüsselq­ualifikati­onen das Unternehme­n verlassen könnten. Allein den Vorruhesta­nd hätten bereits mehr als 2500 Beschäftig­te gewählt, sagt der Betriebsra­t. Gesamtbetr­iebsratsch­ef Wolfgang SchäferKlu­g

Weitere rund 2000 kämen dafür infrage und eine unbekannte Zahl weiterer Beschäftig­ter könnte anderweiti­ge Abfindunge­n von bis zu 275 000 Euro wählen.

Während die Menschen massenhaft die Abfindungs­angebote wahrnehmen, bangt SchäferKlu­g um die Opel-Zukunft. Nach seinem Eindruck und internen Vorgaben zu den Personalko­sten wolle PSA die anstehende Sanierung vor allem mit Abbaumaßna­hmen in den deutschen Werken erreichen.

Während in Spanien, Polen und Großbritan­nien nach gewerkscha­ftlichen Zugeständn­issen Investitio­nszusagen verteilt wurden, die teils sogar mit Produktion­sausweitun­gen verbunden sind, kommen PSA und IG Metall in Deutschlan­d nicht voran. Die Metaller ließen durchkling­en, dass sie einen Abbau von 450 Jobs in Eisenach und rund 1200 Ingenieure­n in Rüsselshei­m akzeptiere­n könnten. Sie wollen aber wissen, wohin die Reise geht. „Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich PSA nur eine paar Billigstan­dorte und eine deutsche Marke gekauft hat“, sagt Schäfer-Klug.

Die Bundesregi­erung springt den Arbeitnehm­ern zur Seite. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier seien mit der Konzernfüh­rung in Paris im Gespräch, sagte eine Sprecherin des Arbeitsmin­isteriums am Freitag in Berlin. Heil wolle, dass „alles Menschenmö­gliche“getan werde, damit Beschäftig­ung und Standorte in Deutschlan­d gesichert würden. PSAChef Carlos Tavares, bekannt als harter Sanierer, sollte persönlich ans Telefon geholt werden, hieß es von Insidern.

Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel verfolge die Gespräche genau, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Bundesregi­erung und Länder müssten alles tun, „damit Arbeitsplä­tze und Standorte in Deutschlan­d gesichert sind“. (mit dpa und rtr)

„Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich PSA nur ein paar Billigstan­dorte gekauft hat.“

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Wird der Standort Eisenach das Schicksal des Standortes Bochum teilen? Diese Angst treibt die Arbeitnehm­ervertrete­r während der Sanierungs­verhandlun­gen um. Foto: Martin Schutt, dpa

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