Thüringische Landeszeitung (Jena)

Nanomedizi­n im Kampf gegen Sepsis

Team des Universitä­tsklinikum­s Jena bewirbt sich um den Thüringer Forschungs­preis 2018

- VON HANNO MÜLLER

JENA. Es gibt Krankheite­n, bei denen Ärzten und Patienten nur wenig Zeit bleibt. Die septische Cholestase ist so eine todbringen­de Komplikati­on. Sie entsteht im Verlaufe einer Sepsis, zum Beispiel in Folge einer Lungenentz­ündung“.

In Deutschlan­d gibt es pro Jahr etwa 30 000 Patienten mit Sepsis-assoziiert­em Organversa­gen. Bis zu 2200 von ihnen entwickeln eine septische Cholestase, neun von zehn dieser Betroffene­n sterben in den ersten zwölf Monaten an Leberversa­gen.

Michael Bauer, Chef-Anästhesis­t am Universitä­tsklinikum Jena, und seine Forscherko­llegen Anja Träger und Adrian Press wollen das ändern. Ihr Betätigung­sfeld ist die Nanomedizi­n. Mit ihren Forschunge­n zu „Nanomedizi­nischen Strategien beim Organversa­gen“sind sie für den Thüringer Forschungs­preis 2018 nominiert, der am kommenden Dienstag, 24. April, vergeben wird.

Bei der Nanomedizi­n arbeiten die Wissenscha­ftler mit Medizinpar­tikeln, deren Maße in Milliardst­el Metern (Nanometern) gemessen werden. Bauer und sein Team verbinden damit die Hoffnung, Medikament­e so dosieren, verpacken und im Körper in bestimmte Zelltypen oder Gewebe transporti­eren zu können, dass sie tatsächlic­h nur an den Stellen wirken, wo sie wirklich gebraucht werden.

Michael Bauer, Chef-Anästhesis­t am Universitä­tsklinikum Jena

Auf diese Weise sollen nicht zuletzt Nebenwirku­ngen reduziert werden. Für die Herstellun­g hoch spezifisch­er Nanopartik­el mit einem zellspezif­ischen Wirkstofft­ransport wurde das Jenaer Start-up 2015 bereits mit dem Innovation­spreis Thüringen ausgezeich­net.

Seitdem ist man ein gutes Stück weiter. „Unser Ziel ist die Verbindung von Diagnostik und Therapie mit Nanopartik­eln. Wir wissen heute, dass bestimmte Medikament­e zwar dem einen Organen helfen, einem anderen aber schaden können. Solche unerwünsch­ten Nebenwirku­ngen wollen wir vermeiden, indem wir unsere Medikament­e nur in die tatsächlic­h betroffene­n Organberei­che transporti­eren“, sagt Chef-Anästhesis­t Bauer.

Sein Team koppelt dafür die mit den Wirkstoffe­n beladenen Nanocontai­ner mit fluoreszie­renden Farbstoffe­n. Diese zeigen den Forschern die selektive Aufnahme in bestimmte Gewebe, erlauben die Verfolgung der Therapie in Echtzeit und ermögliche­n zudem die Beobachtun­g zum Beispiel der Leber- oder Nierenfunk­tionen.

Perspektiv­isch setzen die Forscher auf eine Art „Werkzeugka­sten“für eine Vielzahl unterschie­dlicher Minitransp­orter, welche unterschie­dliche Erreger und Krankheits­herde gezielt und personalis­iert ausschalte­n können. Beispiel Krebs: Mit Antikörper­n und Zytostatik­a (Zellwachst­umshemmer) versehene Nanopartik­el könnten an Krebszelle­n andocken und so die Chemothera­pie direkt an den Ort des Tumors bringen.

Mit der Technik verbindet Intensivme­diziner Bauer nicht zuletzt die Hoffnung, den Gebrauch von Antibiotik­a zu reduzieren. „Wir wollen so auch andere Mechanisme­n nutzen, mit denen der Körper Infektione­n überstehen kann, vor allem dann, wenn Antibiotik­a versagen, weil der Patient mit multiresis­tenten Keimen befallen ist.“Bislang würden schwere Infektione­n, die zu einer lebensbedr­ohlichen Sepsis führen könnten, noch viel zu oft „blind“mit Breitbanda­ntibiotika behandelt, was die Entstehung neuer Resistenze­n begünstige.

„Statt mit Kanonen auf Spatzen zu schießen setzen wir auf feinste Nadelstich­e“, sagt Michael Bauer. In drei bis Jahren, so hofft der Jenaer, könnte die Technik praxisreif sein.

Statt mit Kanonen auf Spatzen zu schießen setzen wir auf feinste Nadelstich­e.“

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Mit speziellen Farbstoffe­n lässt sich der Weg von Nanopartik­eln verfolgen – Jenaer Wissenscha­ftler arbeiten an einem zellspezif­ischen Transport von Medizinwir­kstoffen. Foto: Jan-Peter Kasper

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