Thüringische Landeszeitung (Jena)
Plattennadel statt USB-Anschluss
Am heutigen Tag der unabhängigen Plattenläden beteiligen sich auch die Jenaer Geschäfte „Mr. Music“und „Fatplastics“
JENA. „Es ist einfach ein erfüllendes Gefühl, wenn man die Nadel aufsetzt und es bizzelt wie Schinken in der Pfanne.“So beschreibt Oliver Goldt vom Jenaer Plattenlabel „Freude am Tanzen“seine Liebe zu Vinyl. Heute kann sie jeder teilen, beim Record-Store-Day, an dem sich beide Jenaer Plattenläden beteiligen. Neben einem offenen Geschäft, meist mit Live-Musik, werden jedes Jahr exklusive, häufig streng limitierte Platten veröffentlicht, die nur an diesem Tag bei den angemeldeten Läden erworben werden können.
Goldts Kollege Mathias Veit sitzt mit uns vor dem Plattenladen „Fatplastics“im Schillergässchen, ganz entspannt auf Holzstühlen. Marcus
Glatz nimmt auch
Platz, auf einer der Treppenstufen, die in den Laden führen.
Er ist Student und arbeitet nebenbei dort. Wenn er redet, wird klar, warum. „Auf Platten sieht man Musik, noch bevor man sie hört.“Der 23-Jährige schwärmt davon, wie die Spuren verlaufen, wie sie heller und dunkler wirken und was das letztlich für den Klang bedeutet. „Man kann die Musik quasi anfassen, was bei einer MP3 nicht geht. Auf Platten, finde ich, klingt alles kräftiger.“
Warum bevorzugen dennoch so viele DJs das nicht greifbare Format? „Durch die fortschreitende Technik ist das Auflegen leichter geworden“, sagt Veit. „Und der finanzielle Einsatz ist geringer“, ergänzt sein Kollege. Darüber hinaus erledigt heute eine Software, was früher das Gehör übernahm. Geschwindigkeiten anpassen zum Beispiel.
Bei Veit kam die Leidenschaft zur Musik schon Anfang der 1990er Jahre auf. „Musik interessierte mich schon immer mehr als alles andere. Ich war immer auf der Suche nach neuen Liedern – mich interessierte alles, außer Mainstream.“
Mit gerade einmal 15 Jahren begann Johann Mitterbauer, mit Platten zu handeln. „Man kann schon sagen, dass ich mein Leben lang nichts anderes gemacht habe.“Der Plattenguru geht hinter die Theke seines Ladens und
öffnet auf dem Computermonitor ein Bild. Die Fotografie eines Artikels aus der Zeitung. Datiert auf Mai 1994. Zu diesem Zeitpunkt war er 29 Jahre alt und eröffnete seinen eigenen Plattenladen. Heute ist er „Mr. Music“in der Kahlaischen Straße. Dort liegen rund 50 000 CDs und Platten. In einem Lager in Tautenhain eine weitere knappe halbe Million. „Das Lager ist auf einem ehemaligen Militärgelände. Alles schön sicher beschützt und bewacht von Raketen“, sagte er lächelnd.
Sein ungebrochener musikalischer Favorit ist die Band „AC/ DC“. Er fügt hinzu: „die frühen Sachen“, während er durch die neuen Plattenstapel blättert. „Das hier könnte Ihnen gefallen“, sagt er und hält eine Platte hoch. Es scheint für ihn wie ein Spiel zu sein, oder ein Hobby: den Musikgeschmack eines Menschen aufzublättern anhand weniger Hinweise. Und dann gibt es da noch seine Stammkunden, für die er neue Platten schon griffbereit hinter seine Theke gelegt hat. Herausgesucht hat er für heute Platten, die ohne Hülle im Laden ankamen. „Die ersten 20 Gäste, die zum Record-Store-Day kommen, erhalten eine dieser Platten von der Band ,Black Rebel Motorcycle Club‘ gratis.“