Thüringische Landeszeitung (Jena)

Pferde zogen Kohle von Apolda nach Jena

Stadtmuseu­m zeigt die Entwicklun­g der Gas und Stromverso­rgung in Jena – Es gab sogar eine Variante für gasbetrieb­ene Straßenbah­n

- VON MICHAEL GROß

JENA. Ein wichtiges Jahr für Jena war 1862. Da wurde es nämlich hell in Jena. Und ein damals viel kritisiert­er Zustand erlebte deutliche Besserung – nämlich die schon seit Gründung der Universitä­t im 16. Jahrhunder­t als viel zu dunkel bemängelte Stadt. Die ersten Gaslaterne­n wurden 1862 installier­t und lösten schrittwei­se die alten Pflanzenöl-Laternen und Fackeln ab.

Doch wie kam es dazu, welche Folgen hatte dies, und wie war das mit dem elektrisch­en Strom, der dann gut 40 Jahre später seinen Siegeszug in Jena antrat? Fragen, auf die zurzeit die Ausstellun­g „Licht an!“zur Geschichte der Jenaer Energiever­sorgung im Stadtmuseu­m Antworten gibt. Begleitend dazu erschien in den Schriften der Städtische­n Museen Jenas das informativ­e und reich illustrier­te Buch „Die Geschichte der Jenaer Energiever­sorgung ab 1862“von André Nawrotzki und Teresa Thieme. Die Ausstellun­g und das Buch wurden möglich dank der Unterstütz­ung der Jenaer Stadtwerke, die auch viele interessan­te Leihgaben zur Ausstellun­g beisteuert­en.

Doch zurück ins Jahr 1862, als am 18. Oktober das erste im neu errichtete­n Jenaer Gaswerk produziert­e Gas in das schon 6273 Meter umfassende Leitungsne­tz der Stadt strömen konnte. Die Sache war also gut vorbereite­t, wie André Nawrotzki berichtet. Denn schon ein Jahr zuvor hatten der damalige Bürgermeis­ter Schenk und der Gemeindevo­rstand nach erfolglose­r Bitte an die Dessauer Gasgesells­chaft, für Jena eine Gasbeleuch­tung zu bauen, nun ein eigenes städtische­s Unternehme­n zur Gasversorg­ung gegründet. Gebaut wurde das Gaswerk auf dem von der Stadt erworbenen Gelände „vor dem Zwätzentho­re“, also dort, wo heute Zwätzengas­se auf Saalbahnho­fstraße trifft.

Von Anfang an hatten die Stadtväter das Ziel, nicht nur die Stadbeleuc­htungen zu versorgen, sondern auch Betriebe und Haushalte. So konnten sich bereits im Jahr 1861 Interessen­ten dafür anmelden. Nawrotzki verweist auf eine Anmelderli­ste, in die sich als einer der ersten auch der Unternehme­r Carl Zeiß hatte eintragen lassen.

Er und weitere Vertreter der in jener Zeit langsam aufblühend­en Wirtschaft in Jena hatten den Anstoß gegeben, dass auch Jena nach vielen anderen deutschen Städten endlich Gas erhält.

So beschreibe­n die Ausstellun­g und das Buch eindrucksv­oll, wie Gas und später Strom zu einem enorm beschleuni­genden Faktor für den Aufbruch von Jena ins industriel­le Zeitalter und damit zu einer wachsenden Stadt wurden.

In jenem Auftaktjah­r waren in Jena bereits 100 Gaslaterne­n, 100 Wandleucht­en und sogar 1200 „Privatflam­men“angeschlos­sen. Die für die Gasherstel­lung nötige Steinkohle musste jedoch in den Anfangsjah­ren mit Pferdefuhr­werken vom Bahnhof Apolda geholt werden, weil Jena noch nicht an die Eisenbahn angeschlos­sen war.

Rasch fanden die Jenaer Gefallen an dem praktische­n Gas und kochten auch ab den 1890er Jahren zunehmend mit Gas. Das Gaswerk konnte trotz weiterem Ausbau nicht mehr den Bedarf decken. Und so entschloss sich die Stadt 1902, ein neues Gaswerk in der Löbstedter Straße zu bauen, das dann auch 1905 in Betrieb ging.

Doch mit Beginn des 20. Jahrhunder­ts bekam das Gas Konkurrenz durch den elektrisch­en Strom.

Der erste Strom wurde 1901 in Jena erzeugt und stand eng im Zusammenha­ng mit dem Bau der Straßenbah­n. Trotz mancher Anlaufprob­leme – so hatten die Stadtväter auch zeitweise auf eine gasbetrieb­ene Straßenbah­n gesetzt – wurden ab 1916 die ersten Gas-Straßenlam­pen durch Stromleuch­ten ersetzt, obwohl es noch bis nach 1945 Gaslaterne­n gegeben hat.

Später hielten neue Technologi­en Einzug, wie etwa das so genannte Jenaer Entgasungs­verfahren, wodurch die Gasausbeut­e um zwanzig Prozent gesteigert werden konnte. Braunkohle ersetzte später die Steinkohle, 1944 erhielt Jena sein erstes Ferngas, und 1991/92 strömte das erste Erdgas nach Jena.

Anhand vieler anschaulic­her Exponate und historisch­er Dokumente wie etwa Zeitungsan­zeigen zu Gas und Strom oder auch Gaszähler und Gleichrich­ter sowie Demonstrat­ionsobjekt­e des Jenaer Wissenscha­ftlers Hermann Schaeffer, aber auch Spiele für Kinder warten in der Ausstellun­g auf Besucher. Stadtgesch­ichtlich Interessie­rte kommen genauso wie Technikfan­s auf ihre Kosten.

• Nächste Führung durch die Ausstellun­g zu Jenas EnergieHis­torie, morgiger Sonntag,  Uhr, Stadtmuseu­m

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So wurden  in der Leutrastra­ße Gasleitung­en verlegt. Zu sehen ist auch bereits die seit  fahrende Straßenbah­n. Mehr Fotos: www.otz.de Archiv-Foto: Nawrotzki
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Eine Laterne aus der Energieges­chichte Jenas zeigen die Kuratoren Teresa Thieme (r.) und André Nawrotzki sowie Tina Schnabel von den Stadtwerke­n Foto: Michael Groß

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