Thüringische Landeszeitung (Jena)
Pyrenäen-Berghunde schützen Schafe vor Wölfen
Schäfer Dominik Thierolf macht aufmerksam auf den Umgang mit Herdenschutzhunden, die er in Jena und Umgebung als Schutz vor dem Raubtier einsetzt
GROßLÖBICHAU/JENA. Sie sind groß, haben flauschig weißes Fell und blicken aus tiefschwarzen Augen: Auf einer Koppel in Großlöbichau schwenkt mancher Spaziergänger zu drei knuffigen Vierbeinern, um sie zu streicheln. Und merkt dann aber schnell, dass auf der Wiese keine Schoßhunde liegen. Sie bellen und knurren laut. Die drei Pyrenäen-Berghunde sind Schutzhunde von Schäfer Dominik Thierolf. Sie wurde angeschafft, um seine Herde vor dem heranziehenden Wolf zu schützen. Dem Schäfer aus Beulbar bei Bürgel treibt aber die Sorge um, dass unvorsichtige Menschen selbst Schaden verursachen können oder selbst verletzt werden.
Bevor er ausholt über das Thema Wolf, über existenzbedrohende Sorgen und politische Probleme, will der Schäfer an alle Spaziergänger, Wanderer und Radfahrer appellieren: Bleibt nicht vor den Herdenschutzhunden stehen, sprecht sie nicht an, versucht nicht, sie mit Kommandos zu beruhigen, und füttert sie nicht! Das beste Mittel sei, sie einfach zu ignorieren.
„Manche verstehen nicht, dass sie die Herdenschutzhunde nicht wie ihre eigenen beruhigen können“, sagt Thierolf. Andere Hundebesitzern sollen auch unbedingt ihre Vierbeiner an die Leine nehmen, wenn sie der Schafsherde mit den Schutzhunden begegnen.
Dominik Thierolf hat schon einige unvorsichtige Spaziergänger erlebt. Eigentlich würde er gern ohne die Tiere auskommen, tat es auch jahrelang. Seit zwei Jahren aber hat er sukzessive fünf Herdenschutzhunde angeschafft, zudem strolchen auf dem Hof in Großlöbichau sechs Welpen um seine Beine. Es ist die existenzbedrohende Angst vor dem Wolf, die ihn umtreibt.
Zuletzt wurde ein Raubtier am südlichen Rand des SaaleHolzland-Kreises gesichtet, in Altenberga bei Jena riss er nachweislich Schafe. Das Revier eines Wolfes ist groß, er kann an einem Tag auch mal Dutzende Kilometer überwinden.
„Die Herdenschutzhunde sind nur der Anzeiger“, sagt der Schäfer, sie stellen sich im Ernstfall zwischen Herde und Raubtier, bäumen sich auf und bellen. Die drei Pyrenäen-Berghunde von Dominik Thierolf sind nach seiner Aussage dem Menschen gegenüber friedlich eingestellt, die Rasse der Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde reagiere Zweibeinern gegenüber schon etwas aggressiver. Zwei dieser Tiere besitzt Dominik Thierolf ebenfalls. Es gebe auch noch andere Rassen wie den Kaukasischen Schäferhund, die deutlich dominanter und aggressiver sind. Sie hier zu halten, in einer dicht besiedelten Gegend in und um Jena, will der Schäfer auf jeden Fall nicht.
Nun mag der Außenstehende denken, dass so ein paar Schutzhunde die Herde vor jeglicher Gefahr bewahren. Mitnichten, macht der Schäfer deutlich. Ein einzelner Wolf könne von seinen Hunden noch abgeschreckt werden. Wenn sich aber der erste Wolfswurf in Ostthüringen abzeichnet, gehe es ratzfatz – seine Schafe und auch seine Hunde seien nicht mehr sicher. Denn in anderen Regionen wurden selbst Hirtenschutzhunde gerissen.
Die Ereigniskette denkt er noch weiter. Ausgerissene Schafe könnten in der Hektik auf die Straße laufen, dabei kommen schlimmstenfalls Autofahrer zu Schaden. „Herden sind nach einem Angriff so gut wie nicht mehr führbar“, sagt Thierolf, da helfen auch Hunde nicht. Wenn er über seinen Beruf, die Risiken und damit auch den Wolf spricht, wechseln seine Emotionen von Wut bis zur tiefen Niedergeschlagenheit. Dominik Thierolf ist jetzt 37 Jahre alt und wurde schon als der jüngste Schäfer in Ostthüringen betitelt. Vor zehn Jahren hat er „von Null angefangen“. Heute besitzt er 500 Mutterschafe, 100 Jungschafe und 400 Lämmer. Und trotzdem: Allein von der Aufzucht und dem Verkauf des Fleisches kann er nicht leben.
Die Herdenschutzhunde anzuschaffen, kostet schon einige Tausend Euro. Hinzu kommen Futterkosten und Arztrechnungen. Thüringen hat erst in dieser Woche versprochen, das Wolfgebiet auszuweiten, sodass Schäfer für Präventionsmaßnahmen finanzielle Unterstützung erhalten. Thierolf verweist auf Brandenburg: Dort hat man sofort das gesamte Bundesland als Wolfsgebiet ausgewiesen.
Was ihm Geld einbringt, seien die EU-Programme zur Landschaftspflege. Doch die Verträge sind strikt, er befürchtet Gelder nachzahlen zu müssen, wenn seine festgelegte Herde durch Wolfsrisse dezimiert wird.
Und sollten keinen Schafe mehr da sein: Die Wiesen im Pennickental, am Jenzig, im Gleistal und in Jenaprießnitz könnten mit Mähdreschern keineswegs so gepflegt werden wie mit den Schafen. „Wanderer sollten sich fragen, wieso die Wiese blüht“, fordert er.
Muss der Wolf also weg? „Ich will ja nicht, dass er ausgerottet wird“, sagt der Schäfer. Doch die Raubtiere müssten aus Gebieten kommen, wo sie bejagt wurden und daher auch Angst vor dem Menschen entwickelt haben. Er spricht sich für die Jagd aus und fordert, dass sich die Politik umfassend mit dem Thema auseinandersetzt. Die Bürokratie ist hoch. Er ist immer in der Pflicht nachzuweisen, alles für den Schutz der Tiere getan zu haben. Für die Ansiedlungen des Wolfes werden Millionen ausgegeben, „aber wir werden hier stehengelassen, bis es soweit ist“.
Dominik Thierolf könnte noch Stunden weiter über das Thema reden. Aber am Ende ist er Schäfer, rund um die Uhr, auch am Wochenende. Er muss wieder los, bald kommen auch die Lämmer auf die Wiese. Der Beruf „hat Spaß gemacht. Es wird aber immer schlimmer, der Wolf ist das i-Tüpfelchen.“
Landschaftspflege ist Haupteinkommen