Thüringische Landeszeitung (Jena)
Was ist für Sie Zuhause, Jonas Zipf?
Ich w chs im nördlichen Oden- wald auf, habe dann im In- und Ausland studiert und gelebt. Meine ersten Begegnungen mit Jena Anfang der 2000er verliefen ziemlich negativ (lacht). Als ich meinen Verein Darmstadt 98 als Fan hierhin begleitete, verloren wir nicht nur, wir w rden auch noch verprügelt. Später machte ich eine w nderschöne Paddeltour auf der Saale, wobei mir einzig Jena als hässlich in Erinnerung blieb. Dafür finde ich es heute ganz schön toll hier. Aber die große Liebe erkennt man ja oft auch nicht sofort. Mir gefällt, dass Jena keine hermetisch abgeschlossene, sondern eine durchlässige Stadt ist. Die Kulturszene ist frei, widerständig, zeitgenössisch – mehr Zukunft als Vergangenheit. Jena ist der einzige wirklich urbane Ort in Thüringen. Das zog mich schon 2011 gemeinsam mit Moritz Schönecker hierhin, als wir im hiesigen Theaterhaus die Chance sahen: Da können junge Leute machen, was sie wollen. Obwohl ich mich in Jena sehr wohlfühle, w rde ich die Stadt trotzdem nicht als Zuhau- se bezeichnen. Dafür habe ich mich zu oft an ganz verschiedenen Orten wohlgefühlt. Ich ver- binde den Begriff Zuhause auch viel eher mit bestimmten Menschen – und die sind in aller Welt verstreut. Mein Zuhause sind meine K nder, meine Fami- lie, meine Freunde. Zuhause ist ein Raum, in dem ich Werte und Gefühle teile. Als ich 2015 als Leiter von JenaKultur in die Stadt zurückkehrte, versuchte gerade Thügida hier Fuß zu fassen. Dagegen stand die ganze Stadt auf und demonstrierte für Toleranz und Weltoffenheit: In diesem Raum habe ich mich zu Hause gefühlt. Oder neulich am Millerntor, als die Fans von St. Pauli und Darmstadt eine gemeinsame Choreo zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus machten. Sich nicht in feindliche Fanlager aufspalten zu lassen, sondern gemeinsam für etwas einzutreten, das ist für mich Zuhause.