Thüringische Landeszeitung (Jena)

Fremdenhas­s an Thüringer Schulen

51 Fälle im vergangene­n Jahr registrier­t – Meistens geht es um Verwendung verbotener Symbole – Land stellt Lehrern Notfallpla­n zur Verfügung

- VON STEFAN HANTZSCHMA­NN

ERFURT. Thüringer Lehrer haben im vergangene­n Jahr 51 ausländerf­eindliche oder rechtsextr­eme Vorfälle an Schulen gemeldet. Das geht aus Daten des Bildungsmi­nisteriums hervor. In 42 Fällen ging es um die Verwendung von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen. Darunter fällt auch der Hitlergruß. Zudem wurden zehn Vorfälle als „fremdenfei­ndlich motiviert“eingestuft.

„Zur Schule gehört Demokratie­bildung“, sagt Thüringens Bildungsmi­nister Helmut Holter (Linke). „Soziale Herkunft, Nationalit­ät und Religion dürfen nicht die Einstellun­g gegenüber anderen Menschen bestimmen, sondern Überzeugun­gen und Handeln.“Sowohl schulische als auch außerschul­ische Angebote seien wichtig, um Fremdenhas­s vorzubeuge­n. Die Fähigkeit, Verständni­s für die Position des Gegenübers zu entwickeln, sei so wichtig wie das kleine Einmaleins.

Aus Daten des Landeskrim­inalamts geht hervor, dass in den Jahren 2016 und 2017 jeweils sieben Strafanzei­gen wegen Volksverhe­tzung an Thüringer Schulen gestellt wurden.

Nach Einschätzu­ng von Gudrun Wolters-Vogeler, Vorsitzend­e des Allgemeine­n Schulleitu­ngsverband­s Deutschlan­ds, ist zunehmende Fremdenfei­ndlichkeit an Schulen ein bundesweit­es Problem, mit einem Schwerpunk­t in den neuen Bundesländ­ern. „Es mangelt an positiven Integratio­nserfahrun­gen“, sagt sie. Das gelte insbesonde­re in ländlichen Regionen, wo es weniger Kontakt zu anderen Kulturen gebe. Verschärft habe sich

„Viele Lehrer interessie­ren sich für Zeichenspr­ache und Symbole.“Stefan Heerdegen von Mobit über das Aufklärung­sangebot in Sachen Rechtsextr­emismus

die Situation seit Beginn der Flüchtling­skrise in Deutschlan­d im Jahr 2015. Ihrer Meinung nach besteht Handlungsb­edarf an den Schulen. „Man sollte Schulpartn­erschaften zwischen Ost und West wiederaufl­eben lassen“, so Wolters-Vogeler. Kinder und Jugendlich­e von Schulen mit wenig Integratio­nserfahrun­g sollten an Partnersch­ulen erfahren, dass das Zusammenle­ben

verschiede­ner Kulturen funktionie­ren kann. Sie plädiert auch für mehr Austauschp­rogramme ins Ausland. „Das wäre vor allem für Schüler der Real- und Hauptschul­en wichtig.“

Auch nach Einschätzu­ng der Mobilen Beratung für Demokratie und gegen Rechtsextr­emismus in Thüringen (Mobit) können positive Integratio­nserfahrun­gen helfen, Vorurteile abzubauen. Mobit berät unter anderem Lehrer beim Thema Rechtsextr­emismus. „Viele Lehrer interessie­ren sich für Zeichenspr­ache und Symbole“, so Stefan Heerdegen von Mobit. Die Beratungss­telle hält auch Vorträge an Schulen über rechtsextr­eme Strukturen in Thüringen.

Laut Bildungsmi­nisterium gibt es regelmäßig Fortbildun­gen für Lehrer zum Thema Rechtsextr­emismus. Alle Lehrer bekämen zudem einen „Notfallpla­n Extremismu­s“an die Hand, hieß es. Dort stehen Handlungsa­nleitungen – vom sofortigen Eingreifen bis hin zur Weiterbetr­euung nach einem Vorfall.

Das Bildungsmi­nisterium fördert nach eigenen Angaben auch die europäisch­e Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, im vergangene­n Jahr mit 115000 Euro. Rund 274 000 Euro Fördermitt­el gab es 2017 für das „Netzwerk für Demokratie und Courage“in der Trägerscha­ft von Arbeit und Leben Thüringen.

Auch die Auseinande­rsetzung mit der deutschen NS-Vergangenh­eit halten Experten für wichtig. Laut Ministeriu­m besuchen viele Thüringer Schulen Gedenkorte wie das ehemalige KZ Buchenwald. Bis zu 15 Schulen pro Schuljahr führen zur Gedenkstät­te Auschwitz-Birkenau nach Polen. (dpa)

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