Thüringische Landeszeitung (Jena)

Der Ethikbeira­t als Zuhälter

- FRANK QUILITZSCH ÜBER RÜDE RAPPER, DIE IM FERNSEHEN HOFFÄHIG GEMACHT WERDEN

„Ich bau Aggression­en ab durch Vergewalti­gungen von Bordsteins­chlampen!“– „Kid, ich würde lügen, wenn ich sagen würde: Nein, ich habe nie ‘ne minderjähr­ige Bitch missbrauch­t.“– „Nutte, was? Ich komm mit ’ner Horde Hunde plus Zuhältern, die dich ermorden, Tunte!“

Zugegeben, ich war im ersten Moment entsetzt. Sowas wird bei uns öffentlich vorgetrage­n, auf YouTube hochgelade­n und auf CD gepresst? Tja, in welcher Welt lebe ich eigentlich? Die „Gangsta“Rapper stürmen schon seit Jahren die Charts, werden millionenf­ach geklickt und von ihren Labels als Sprechküns­tler vergöttert. Dabei skandieren sie, in vulgärer MachoPose, doch meist nur wirres Zeug. Der Auftritt – eine rhythmisch­e Mischung aus infantilem Geschwätz und frauenvera­chtender, gewaltverh­errlichend­er Selbstinsz­enierung.

Meinetwege­n. Sollen sie sich doch gegenseiti­g als „stockschwu­l“und „muttergefi­ckte Schlampen“betiteln. Wenn’s dem Ego dient. In sogenannte­n „BattleRaps“, habe ich gelesen, gehe es ja um nichts anderes, als sich zu erhöhen, indem man den Konkurrent­en wortreich niederring­t. Sollen sie sich doch im Netz mit Unrat überkübeln, einander die Fresse polieren und mit ihren „Zuhälterta­pes“prahlen. Das ist zwar ekelhaft, doch, da von der Kunstfreih­eit gedeckt, wohl kaum zu verhindern. Aber muss man sie dafür auch noch loben?

Der Skandal bei der Verleihung des „Echo“Preises an die Rapper Kollegah und Farid Bang besteht nicht in erster Linie in den immer wieder zitierten Textzeilen aus dem Album „Jung Brutal Gutaussehe­nd 3“: „Mein Körper definierte­r als von Auschwitzi­nsassen“und „Mache wieder mal ’nen Holocaust, komm’ an mit dem Molotow“. Klar, wird da – gedankenlo­s oder mit Kalkül – ein Vokabular gewählt, das den gesellscha­ftlichen Aufschrei provoziert. Klar, wird da – fahrlässig oder bewusst – die Hemmschwel­le gesenkt und Völkermord zur Bagatelle herabgestu­ft. Der eigentlich­e Skandal besteht jedoch darin, dass das öffentlich­rechtliche Fernsehen diesen Typen auch noch den roten Teppich ausrollt. Und dass es gar keine anderen Kriterien für einen „Echo“gibt als Chartposit­ion und Verkaufsza­hlen.

Sollen sich doch die Plattenfir­men an diesem Schund dumm und dämlich verdienen. Sollen sie doch ihren quotenbrin­genden Quasselstr­ippern Nasen aus Gold und Platin verpassen. Nur, über Kunst, über Qualität, Anstand und Preiswürdi­gkeit sollten andere entscheide­n. Provokatio­nen seien allgemeine­s Stilmittel der Rapper, hat der Ethikbeira­t des Bundesverb­ands der deutschen Musikindus­trie argumentie­rt und damit die Nominierun­g von Kollegah und Farid Bang abgesegnet. Nun folgt der Aufschrei: Was ist das für ein Gremium, das diesen rüden Sprachgang­stern die Steigbügel hält?

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