Thüringische Landeszeitung (Jena)

Mythologis­ches Spiel mit Superhelde­n

Vom Untergang Trojas berichten Steffi König, Kathrin Blüchert und Karoline Vogel zauberhaft und unterhalts­am im Erfurter Puppenthea­ter Waidspeich­er

- VON MICHAEL HELBING

ERFURT. Hier ist nicht die Heimat griechisch­er Mythologie, in der Götter so menschlich und Menschen göttliche Puppen sind, aber hier ist sie zu Hause wie nirgends: im Figurenthe­ater, das alte Griechen gar nicht kannten.

Hier, zwischen Spieler und Figur, findet die antike Schicksals­gemeinscha­ft ihre Entsprechu­ng. Und „unaufhalts­am vollzieht sich, was das Schicksal einmal beschlosse­n hat“.

So heißt es bei Franz Fühmann, der den vielleicht 27 Jahrhunder­te alten Homer vor einem halben Jahrhunder­t nacherzähl­te: die Ilias, die Odyssee. Beide Erzählunge­n erschienen einst unter dem Übertitel „Das hölzerne Pferd“. Der gilt nun in Erfurt allein der Sage von Trojas Fall – den drei Göttinnen wenn nicht verursacht­en, so aber doch heraufbesc­hworen: Hera, Athene und Aphrodite, die sich dem korrumpier­ten Schönheits­urteil des Trojaners Paris zu stellen hatten und sich ihm doch nicht unterwarfe­n.

Da das Theater Waidspeich­er drei göttliche Spielerinn­en unter den seinen weiß, geschieht das Erwartbare: Steffi König, Kathrin Blüchert und Karoline Vogel buhlen um den Zankapfel, den Eris „der Schönsten“weihte. Dann spielen sie auf dreiteilig­em Spieltisch Heldenepos: mit Paris, Helena, Hektor, Priamos, Agamemnon, Menelaos, Odysseus, Achill.

Dafür braucht’s Koalitione­n; diese Vierfüßler­puppen wären allein nicht gut zu führen. Das Trio ist die Götterund belebt die Menschenwe­lt. Zurückhalt­end spielt es die Symbolik seiner Form aus: Wie Götter mit Menschen spielen, spielen sie nicht. Sie sind als Schauspiel­erinnen das eine, in einer sehr harmonisch­en, fließenden, pralles Leben einhauchen­den Figurenfüh­rung das andere.

Frank Alexander Engel hat das inszeniert und mit Kerstin Schmidt ausgestatt­et. Sie entschiede­n sich im Kern für weiße Puppen in Superhelde­nmanier, schemenhaf­t ge- und bezeichnet, ohne Gesicht, unterschei­dbar anhand ihrer abnehmbare­n Maskenhelm­e und der Anfangsbuc­hstaben ihrer Namen auf der Brust.

Dennoch, will das uns wohl sagen, bleiben sie austauschb­ar, nur durch den Zufall (oder Schicksal) auf diese und jene Seite des Krieges gestellt.

Der wütet inzwischen im zehnten Jahr, beschert mal Trojanern, mal Griechen eine siegreiche Schlacht und findet kein Ende. Unaufhörli­ch verrücken die Spielerinn­en mit magnetisch­en Pappkamera­den auf der vernietete­n Tafelwand die Schlachtun­d Kriegsordn­ung, schießen mit Kreide Pfeile und Lanzen ab. Den Ton heiligen Ernstes, mit dem Fühmann längst kriegsmüde Völker beschrieb, trifft der Abend dabei nicht: weil er nicht darauf abzielte.

Worum es ihnen zu tun war, ist die atmosphäri­sch dichte Erzählung, auch mittels Toneffekte­n und heiterdram­atischem Soundtrack. Das gelingt bravourös, in 80 unterhalts­amen Minuten, in denen der Olymp häufig komödianti­sch daherkommt, die Erde aber melancholi­sch. Steffi König fällt auf durch gestische Parodien und stimmliche Imitations­kraft.

Der Abend schreitet zwar nicht den ganzen Kreis der Schöpfung aus, den ein Puppenthea­ter hier zieht. Er kommt dem allerdings sehr nahe.

Wieder am . Mai.

 ??  ?? Troja-Prinz Hektor glaubt, den gottgleich­en Achill zur Strecke gebracht zu haben und sieht: Es war Achills Freund Patroklos in dessen Rüstung. Karoline Vogel, Kathrin Blüchert und Steffi König (von links) spielen die Sage von Trojas Fall...
Troja-Prinz Hektor glaubt, den gottgleich­en Achill zur Strecke gebracht zu haben und sieht: Es war Achills Freund Patroklos in dessen Rüstung. Karoline Vogel, Kathrin Blüchert und Steffi König (von links) spielen die Sage von Trojas Fall...

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