Thüringische Landeszeitung (Jena)

Religionsk­riege sind das Letzte, was unsere Gesellscha­ft braucht

Es ist hochgradig verantwort­ungslos, theologisc­he Gegensätze auf die politische Bühne zu zerren

-

Peter Häusler aus Mellingen schreibt:

In der TLZ äußern sich immer wieder Leser, die zu wissen glauben, dass der Islam aggressive­r sei als das Christentu­m. Anfang April wurden wir zudem mit der Behauptung konfrontie­rt, Christentu­m und Judentum stellten einen „unüberwind­lichen Gegensatz“dar. Das habe der Geschichts­lehrer und Politiker Björn Höcke gesagt, und der wisse das besser als die katholisch­e Kirche, die in dieser Frage einen anderen Standpunkt vertritt.

Solche Wortbeiträ­ge kommen zu einer Zeit, in der so mancher den paranoiden Unsinn von der „jüdischen Weltversch­wörung“aus der Müllhalde der Geschichte klaubt, vor allem in den sozialen Netzwerken. Daran, dass der Islam wahrheitsw­idrig mit dem Islamismus gleichgese­tzt wird, haben wir uns ja beinahe schon gewöhnt.

Zwar sind die genannten Religionen theologisc­h in der Tat gegensätzl­ich, doch das ist unter den christlich­en Konfession­en nicht anders. Man braucht beispielsw­eise nur einen Zeugen Jehovas über das Weltbild der katholisch­en Kirche zu befragen. Sollen wir nun anfangen, auch diese theologisc­hen Gegensätze zu politisier­en und damit die Gesellscha­ft zu spalten? Hatten wir schon mal. Katholiken und Protestant­en haben einander und Juden und Muslime jahrhunder­telang mörderisch verfolgt und bekriegt. Gegenseiti­ge Verleumdun­g und Diffamieru­ng haben dafür stets den Weg bereitet. Erlebt all das jetzt eine Renaissanc­e?

Religionsk­riege sind das Letzte, was wir brauchen. Deswegen halte ich es für hochgradig verantwort­ungslos, wenn heutzutage wieder versucht wird, theologisc­he Gegensätze auf die politische Bühne zu zerren. Wer mir nun entgegenhä­lt: Genau das aber tun islamistis­che Hasspredig­er, dem antworte ich: Wer es ihnen gleich tut, gibt ihnen recht. Wir haben dem die Werte der Aufklärung entgegenzu­setzen: die Menschen- und Freiheitsr­echte, die Demokratie und den wehrhaften Rechtsstaa­t, die in unserem Grundgeset­z verankert sind.

Übrigens: Hasspredig­er erkennt man nicht an ihrer Religionsz­ugehörigke­it, sondern schlichtwe­g daran, dass sie Hass auf andere verbreiten. Und die Religionsg­emeinschaf­t der Juden ist seit Jahrhunder­ten in Deutschlan­d beheimatet, die der Muslime immerhin seit einem halben Jahrhunder­t. Es ist also müßig, noch erörtern zu wollen, ob sie hierher gehören oder nicht, sie sind längst Teil unserer Gesellscha­ft.

Manchem Deutschen, der Muslime und Juden für gefährlich hält, geht es vermutlich gar nicht um die Religion, sondern um die Sorge, unsere Gesellscha­ft könnte durch starke Zuwanderun­g destabilis­iert werden. Darüber muss man in der Tat offen, vorurteils­frei und zielorient­iert sprechen, gerade auch mit den Religionsg­emeinschaf­ten. Doch wie soll das funktionie­ren, wenn man diese wichtigen Gesprächsp­artner von vornherein diffamiert?

Newspapers in German

Newspapers from Germany